In diesem Kapitel geht es um:
- Grundkategorien der Symptombilder
- 1. Übererregung
- 2. Wiedererelben
- 3. Vermeidung
- Symptombild der Poststraumatischen Belastungsstörung (PTBS)
- Generell
- Speziell bei kleinen Kindern
- Häufigkeit PTBS
Grundkategorien der Symptombilder
Die Symptome von Traumatisierungen lassen sich in drei Grundkategorien einteilen:
- Übererregung (Hyperarousel)
- Wiedererleben (Intrusionen)
- Vermeidung (Konstriktion)
Audio: Grundkategorien von Trauma (02:20)
In die Kategorie Übererregung fällt alles, was mit der Stimulation des zentralen Nervensystems zu tun hat. Das sympathische Nervensystem wird aktiviert und Körperfunktionen und oder Körpersinne werden überreizt. Von Wiedererleben spricht man, wenn die Betroffenen traumatische Erfahrungen wiederholt erleben, als würden sie in den Gegenwart passieren. Dies wird oft als »überflutend und belastend« wahrgenommen. Deshalb versuchen die Betroffenen oft, sich durch Vermeidung der Triggerreiez zu schützen.
1. Übererregung
Anhaltende Symptome der Übererregung können sein:
- Allgemein erhöhtes Erregungsniveau, Hypervigilanz (erhöhte Wachsamkeit)
- Schwierigkeiten ein- oder durchzuschlafen
- Erhöhte Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit
- Erhöhte Aggressivität, Impusdurchbrüche
- Störungen der Konzentration und des Gedächtnisses
- bei jüngeren Kindern: Extreme Trotzanfälle
2. Wiedererleben
Das Wiedererleben des Traumas kann verschiedene Gestalten annehmen:
- Flashbacks: Flashbacks sind wiederkehrende und äußerst belastende Erinnerungen an das Ereignis. Die Erinnerungen können als Bilder, Gedanken oder Wahrnehmungen auftreten. Die durch Trigger-Reize ausgelösten fragmentierten Erlebnisinhalte werden als real empfunden und im hier und jetzt erlebt.
👶: Kinder drücken Themen oder Aspekte des Traumas oft durch Spiele aus, was sich u.a. durch lustloses oder gleichbleibendes Nachspielen traumatischer Erfahrungen zeigen kann - Träume: Traumata können sich auch durch wiederkehrende, stark belastende Träume ausdrücken.
👶: Bei Kindern können stark beängstigende Träume ohne wiedererkennbaren Inhalt auftreten - Handeln und Fühlen: Das wiedererlebte Trauma kann sich so real anfühlen, das Betroffene den Eindruck haben, das traumatische Ereignis tatsächlich noch einmal wiederzuerleben. Dabei können Illusionsn oder dissoziative Flashback-Episoden auftreten.
👶: Kinder spielen die Ereignisse dann oft nach, als traumaspezfische Reinszenierung
3. Vermeidung
Im Versuch, Trigger-Reize zu vermeiden werden können verschiedene Strategien beobachtet werden:
- Bewusste Vermeidung: Aktives Meiden von Aktivitäten, Orten oder Menschen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen. Aktives Meiden von Gedanken, Gefühlen oder Gesprächen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen
- Dissoziative Amnesie: Unfähigkeit, sich an bestimmte Aspekte des Traumas zu erinnern
- Rückzug: Vermindertes Interesse und / oder Teilnahme an wichtigen Aktivitäten
👶: Einschränkungen im Spielverhalten - Sich-fremd-Fühlen: ein Gefühl der Losgelöstheit oder Fremdheit von anderen
👶: Sozialer Rückzug
Weitere Symptome die mit der Vermeidungs-Strategie in Verbindung gebracht werden sind u.a. eine eingeschränkte Bandbreite des Affekts (der Gefühle) und das generelle Gefühl einer eingeschränkten Zukunft.
Generelles Symptombild der PTBS
Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung können körperlicher, sowie als auch emotionaler Natur sein. Dabei kann das Bindungs- und Sozialverhalten, die kognitive Leistungsfähigkeit und das Selbsterleben beeinträchtigt werden.
Audio: Kennt ihr die Symptome? (00:57)
Körperliche, somatoforme* Störungen:
- Körperliche Unruhe, starke Anspannung, plötzliche Erregungszustände, Schreianfälle, Zittern, Schwitzen, Herzrasen, inneres Erstarren in Angstsituationen, taktile Über- oder Unterempfindlichkeit, Körperschmerzen unklarer Genese, Schmerzempfinden auffällig intensiv oder gering, schreckhaft, lärmempfindlich,
- Ein- und Durchschlafstörungen, Alpträume,
- Nahrungsverweigerung, unmässiges Essen, Erbrechen, Durchfall
- Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Schwindel
- Erhöhte Krankheitsanfälligkeit
*eine somatoforme Störung ist ein körperliches Leiden, obwohl eigentlich keine »klassische Krankheit«, also keine klare organische Ursache gefunden werden kann.
Emotionale Störungen:
- Stimmungsschwankungen, Ängste, Besorgnis, Trennungsängste
- Depressive Verstimmungen, Suizidphantasien
- Störungen in der Affektregulation – emotionsloses, bizarres, automatisiertes Verhalten
- Überreaktion auf geringe sexuelle/aggressive Hinweisreize
Störungen im Bindungs- und Sozialverhalten
- anklammerndes Verhalten
- »herausforderndes, dissoziatives Verhalten« (gewalttätig, autoaggressiv, regressiv, kleinkindlich, sexualisiert, distanzlos)
- Rückzugsverhalten, Kontaktvermeidung, Selbstisolation
- ausgeprägte Verweigerungshaltung (oppositionelles Verhalten)
Störungen in der kognitiven Leistungsfähigkeit
- Störungen der Wahrnehmung
- der Aufmerksamkeit
- der Konzentration
- des Gedächtnisses
Störungen im Selbsterleben
- Störungen des Grundvertrauens
- des Selbstwerts
- der Selbstwirksamkeit
Symptombild der PTBS bei kleinen Kindern 👶
Bei kleinen Kindern äußert sich das Symptombild einer PTBS wie folgt:
Körperliche, somatoforme Störungen
- Hypervigilanz, Bauchweh, Kopfweh
- nächtliches Aufwachen
- Abflachung der allgemeinen Reagibilität
Emotionale Störungen:
- übertrieben Schreckreaktionen
- Angst vor dem Zubett-Gehen, Angst vor Dunkelheit
- Trennungsangst
- aggressive Ausbrüche,
- eingeschränkte Affektivität
Störungen im Bindungs- und Sozialverhalten
- sozialer Rückzug
Störungen in der kognitiven Leistungsfähigkeit
- eingeschränkte Spielfähigkeit (posttraumatisches Spiel)
- Verlust von Entwicklungsfähigkeiten (Sprache, Sauberkeit etc.)
Häufigkeit einer PTBS
Die Art des Erlebten wirkt sich auf die Wahrscheinlichkeit einer PTBS aus. So sind z.B. mehr als die Hälfte aller Menschen mit traumatischen Kriegserlebnissen gefährdet an einer PTBS zu leiden, aber nur 5-10% der Menschen, die an einem Verkehrsunfall beteiligt waren.
Audio: PTBS als eine der häufigsten psychischen Störungen (01:12)
Prozentuale Verteilung PTBS
- Kriegserlebnisse mit persönlicher Gefährdung: mehr als 50%
- Vergewaltigung und sexueller Missbrauch: mehr als 50%
- Verkehrsunfälle: ca. 5 – 10%
- Katastrophen: ca. 5 %
- Zeuge/Zeugin von Unfällen und Gewalthandlungen: ca. 5 %
Die Lebenszeitprävalenz beträgt ca. 8%, was heißt, dass 8% aller Menschen einmal in ihrem Leben an einer PTBS erkranken. Das macht die PTBS zu einer der häufigsten psychischen Störungen.
Die Prävalenz nach Geschlechtern ist auch spannend zu betrachten: bei Frauen liegt sie bei ca. 10%, bei Männern bei 5%. Dies kann damit zu tun haben, dass Frauen Erlebtes eher internalisiern, wohingegen Männer eher externalisieren.