Spiele erfinden macht Spaß – kann aber auch überfordern. Wie beim Spielen selbst hilft eine Struktur, die Orientierung gibt. In diesem Artikel versuche ich also, Struktur und Orientierung zu geben für die Entwicklung eigener Brettspiele.
Strategien: Brettspiel erfinden ist wie Kochen
Du kannst ein gutes Gericht aus mehreren Anfangsszenarien heraus entwickeln. Manchen Menschen ist es egal, was sie essen, wenn sie genug Hunger haben. Das ist das SZENARIO X:
X. Ungerichteter Appetit: Ich habe Hunger und will irgendwas Essen – ob es Pizza, Suppe oder Brot ist, spielt keine Rolle.
–> heißt beim Brettspiel erfinden: Ich bin neugierig und habe Lust, irgendein Spiel zu erfinden – ob ich bei Wettbewerb, Kooperation, mit Geschichte oder Würfeln arbeite, ist mir egal.
Szenario X ist beliebig und gibt uns keine Orientierung – und sollte daher aufgelöst werden durch Moderation, die es zurückführt auf Szenario A, B oder C:
- Nachahmung: Ich kenne ein Gericht und koche es nach mit eigenen kleinen Schwerpunkten..
–> Ich baue ein konkretes Spielsystem nach mit kleinen eigenen Anpassungen, z.B. Monopoly, Quartett oder Würfel-Rausschmeiß-Brettspiele. - Effectuation: Ich habe konkrete Zutaten und Diät-Rahmenbedingungen und versuche daraus etwas möglichst gut schmeckendes Essen.
–> Ich habe konkrete Spielmaterialien (Würfel, Brett, Figuren, Stifte) und Prinzipien (Kooperation, Aufbau-Spiel) und versuche daraus, ein möglichst schönes Spiel zu entwickeln. - Roher Diamant: Ich habe Ideen für Zutaten, Diät-Rahmenbedingungen und das Essenserlebnis und schaue mal, ob ich daraus ein richtiges Gericht entstehen lassen kann.
–> Ich habe Ideen für Motive, Spielmechanik und Interaktions-Erlebnis und versuche daraus, ein stimmiges Brettspiel entstehen zu lassen.
Anmerkung: Ich selbst habe meistens eigene sehr abstrakte Ideen gehabt für Spiele, z.B. „Mathe-Unterricht cooler machen“ oder „Klima retten“ – und habe damit für gewöhnlich mich und die Spieler mit zu anspruchsvollen Konzepten frustriert. Wenn es geklappt hat, waren es unvergessliche Erlebnisse, z.B. als die „böse 9d“ aus ihrem Mathe-Unterricht ein Harry-Potter-Lernspiel gemacht hat – und statt zu stören die Pausen durchgearbeitet hat. Aber dies waren im Nachhinein betrachtet Glückstreffer und waren schwer reproduzierbar.
Daher schlussfolgere ich aus Erfahrung das Spiel-Erfinder-Werden-Prinzip, erst einmal mit Szenario A und B anzufangen und sich nur langsam in die komplexe Welt des Spiele-Erfindens und der Gamification einzuarbeiten.
Anleitung: Brett-Spiele-Erfinder werden
Spiel-Erfinder-Werden-Prinzip:
Fange mit leichten Spiel-Konzepten an und steigere behutsam die Komplexität.
Hauptquest: Entwickle 3 eigene Spiele: eins durch Nachahmung, eins durch Komposition von bestimmten Zutaten, und letztlich eins nach Inspiration zur Verwirklichung einer Idee.
A. Spiele erfinden durch Nachahmung
Wähle eine der Nachahm-Quests für angehende Spiele-Erfinder:
- Entwickle ein eigenes Quartett.
- Entwickle ein eigenes Figuren-Brett-Würfel-Spiel.
- Entwickle eine Schnitzeljagd.
- Entwickle ein eigenes Opoly-Spiel.
Nachahm-Auftrag: Nimm eine bestehende Spiel-Mechanik und ersetze Namen und Bilder durch eigene Namen und Bilder.
B. Effectuation: Spiele entwickeln mit konkreten Zutaten
Wähle 3 der folgenden Spiele-Zutaten und 3 der folgenden Spielmechaniken und komponiere ein Spiel daraus.
Spiel-Zutaten:
- Figuren
- Würfel
- Karten
- Punkte-Blättchen
- Leeres Brett
Spiel-Mechaniken:
- Zum-Ziel-Kommen
- Runden-Rhythmus
- Abkürzungs-Wege
- Schwelle zum Weiterkommen
- Gegenstände sammeln
- Punkte sammeln
- unterschiedliche Rollen
- Entscheidungs-Möglichkeiten über Anzahl der Züge
C. Spiele neu erfinden nach Inspiration
- Inspiration sammeln: Was begeistert dich an Spielen? Welche
- Spieldynamik: Jedes gute Spiel hat ein Entwicklungsziel.
(Es gibt Spiele ohne objektive Ziele, die sehr erfolgreich sind, z.B. SIMS oder Minecraft oder auch Grand Theft Auto. Sie bieten allerdings soviel Struktur und Anregungen, dass das Explorieren und Entdecken dennoch implizite Ziele enthält: man stolpert über die Entwicklungsmöglichkeiten.)