6 Level: Kommunikationstechniken im Coaching

Gute Gesprächsführung erfordert einen gut geölten Werkzeugkoffer an Kommunikationstechniken – insbesondere für Coaching & Moderation. Es reicht nicht, ein paar Fragetechniken und Schemata zu benutzen: denn unter der Oberfläche des Gesagten arbeiten tiefere komplexe Prozesse:

  • Sehnsüchte,
  • unbewusste Konflikte,
  • konkurrierende Bedürfnisse,
  • Ängste,
  • Traumata,
  • Abwehrmechanismen

Wir brauchen in einem echten, lebendigen Coaching-Prozess daher ein Set an Methoden, um die jeweils lebendigen Phänomene und Prozesse zu steuern. Daher habe ich hier meine Struktur an Coaching-Kommunikationstechniken gesammelt.

Zum Erlernen dieser Kommunikationstechniken für Coaching & Therapie haben wir die Online-Ausbildung Systemisches Coaching entwickelt.

 

6 Level: Kommunikationstechniken und Kompetenzen in Coaching & Moderation

Wir steigern uns mit den folgenden Kommunikationstechniken von sachte bis transformierend.
Die Grundlage bildet das Zuhören, um Klarheit gewinnen zu können. Dann steigern wir die Komplexität der Kommunikation.

Kommunikationstechniken_ 6 Level für Coaching & Moderation & Facilitation

Level 1: Aktives Zuhören

Aktives Zuhören bildet die Grundlage, um dem Klienten Raum zu geben, indem wir ihm Aufmerksamkeit schenken: es soll sich Vertrauen und Offenheit aufbauen, sodass die wirklich wichtigen Themen ans Tageslicht treten können.

Aktives Zuhören besteht aus folgenden Tätigkeiten und Kompetenzen:

  1. Konzentration aufrecht halten
    (Tipp: Aufmerksamkeit auf Atmung richten, oder auf die Körperwahrnehmung oder die Beziehung zwischen dir und dem Klienten… siehe Achtsamkeits-Übungen)
  2. Körpersprache in Form von Körperhaltung, Mimik, Gestik.
    Strategie: Pacing & Leading (zuerst spiegeln und eingehen auf das Gegenüber, dann langsam zu Entspannung und Offenheit übergehen).
    Insbesondere:

    • bestätigendes, ermutigendes Nicken und
    • durch die eigene Körpersprache zu Entspannung und Offenheit einladen:
    • Atmung vertiefen,
    • sich selbst entspannen,
    • offene Hände,
    • authentisches Lächeln,
    • die Emotionen wiederspiegelnde Mimik
  3. Paraphrasieren: Wiedergeben des Gesagten nach dem eigenen Verständnis mit eigenen Worten.
  4. Soziales Grunzen: Ah, Ok, Mmhm, Uff, Oho, Huiuiui, Soso, Ach
    (Fachbegriff: Interjektionen)
  5. Verbalisieren von Emotionen, Gedanken, Hypothesen, Bedürfnissen und Wünschen (Orientierung dafür bietet zum Beispiel Gewaltfreie Kommunikation)
  6. Nachfragen, um Verständnis zu vertiefen, insbesondere mit offenen Fragen, die dazu ermutigen, mehr über das relevante Thema zu erzählen …mehr dazu im nächsten Level.

Hier noch ein Video zum aktiven Zuhören, welches ähnliche Punkte nennt und erklärt:

 

Level 2: Funktionale Fragetechniken

  • Rückversichernde Fragen (Ok? Fühlst du dich noch sicher? Hältst du es noch aus? Können wir weiter gehen?)
    Funktion: Einvernehmlichkeit und Kopplung sichern
  • Vertiefende, Ergründende Fragen (Warum …?)
    Funktion: die Zusammenhänge verstehen
  • Konkretisierende Fragen (Wie genau  ..?)
    Funktion: Klarheit und Konkretheit schaffen
  • Sammel-Fragen (Was noch… ?)
    Funktion: ein umfassendes Verständnis konstruieren über Beispiele und weitere Zusammenhänge
  • Perspektivische Fragen (Wie sieht es aus aus folgender Perspektive / Person / Zeit … ?)
    Funktion: Zusammenhänge im System aufdecken
  • Zielorientierte Fragen (Wohin … ?)
    Funktion: Konzentration auf die positive Weiterentwicklung
  • Hypothetische Fragen (Was wäre, wenn …?)
    Funktion: Kreativität, Hoffnung, Eröffnung neuer Möglichkeitsräume für das eigentlich Wünschenswerte
  • Skalenfragen (Wie intensiv… ?)
    Beispiel: Von 1-10, wie stark ist das Gefühl der Scham?
    Funktion: Orientierung geben durch Messbarkeit und Vergleich. Außerdem Vorbereitung einer Lösungsorientierung („Was müsste geschehen, damit aus der 8 eine 6 wird?“)
  • Ressourcen-aktivierende Fragen (Was ist?)
    Funktion: pragmatische Ausrichtung auf die tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten
  • Paradoxe Fragen (Wie kannst du scheitern?)
    Funktion: Musterunterbrechung, Bewusstmachung der dysfunktionalen Zusammenhänge

…mehr zu den systemischen Fragetechniken.

 

Level 3: Funktionale Operatoren

  • Erzähle
  • Nenne
  • Beschreibe
  • Vergleiche
  • Begründe
  • Stelle X und Y in Zusammenhang
  • Wiederhole
  • Ruf dir XY wach

Während uns die Fragetechniken in Level 2 für häufige Anlässe einen Fragetechnik-Koffer bereitstellen, um das Anliegen zu explorieren und den Kommunikationsraum zu öffnen, dienen die Operatoren dazu, zielgerichtet den Kommunikationsprozess zu steuern.

Vorgehen: überlege genau, welche Informationen und Antworten du haben möchtest im Coaching-Gespräch und formuliere einen Opterator, der dahin führt.

Voraussetzungen für die operationalisierte Gesprächsführung sind:

  1. eine klare Vorstellung davon, wohin das Gespräch laufen sollte, sowie
  2. die Bereitschaft deines Gegenübers, dass du direktiv das Gespräch führst.

 

Level 4: Interventions-Schemata

Situative Interventions-Schemata sind eine Aneinanderreihung von Fragen & Operatoren, um ein bestimmtes Gesprächsziel zu erreichen, z. B.:

  • Verständnis über die eigene Erfahrung eines Erlebnisses ermöglichen
  • Vertrauen aufbauen
  • Gesprächskontrolle gewinnen
  • Ablenkungen einfangen
  • Motivation anstiften
  • Glaubenssätze hinterfragen

Hier eine Sammlung an klar strukturierten, situativen Interventionen, die nach „Schema F“ angewandt werden können, um ein Gesprächsziel zu erreichen:

Gewaltfreie Kommunikation (GFK):
1. Beobachtung, 2. Befinden, 3. Bedürfnis, 4. Bitte
Funktion: Vertrauensvolle Kommunikation zwischen Mensch und Mensch
…mehr zu GFK
Voraussetzung: Reflexionsvermögen bzgl. Gefühlen und Bedürfnissen

LIMO: Loben, Interesse bekunden, Mängel & Kritik ansprechen, Offenheit vermitteln
Funktion: in allgemeiner Unsicherheit souveränen Gesprächsfluss aufrecht erhalten
Voraussetzung: Konzentrationsvermögen durch die Spannung hinweg

GROW: Goal, Reality, Opportunities, Way forward
Funktion: pragmatische Ausrichtung auf ein Ziel

SMART-Ziele… sind spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert
Funktion: Verbindlichkeit und Klarheit der Zielformulierung erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung
Voraussetzung: richtige Strategie wurde bereits identifiziert, Quantifizierbarkeit

TTT: Touch – Turn – Talk
Bespiel:
(Touch) „Herr Meier, sie weichen vom Thema ab und machen Stimmung gegen ihren Diskussionspartner.
(Turn) Bleiben Sie sachlich und bei unserem Thema.
(Talk) Wir sind bei der Entscheidung über das Thema der diesjährigen Mottoparty.“
Funktion: In hitzigen Gesprächen unangemessene Einwände abwehren und rückführen an den Kernprozess.

Reappraisal: Alles Gesagte anerkennen und wertschätzen
Funktion: Unsicherheit beim Gegenüber abbauen
Beispiel: „Ja, es ist gut, dass du dich schuldig fühlst. Damit übernimmst du emotionale Verantwortung. Es ist super, dass du dich mit diesem Gespräch darum bemühst, Auflösung zu finden, damit du in Zukunft dich weniger belastet fühlst.“

The Work von Byron Katie: 4 Fragen, um Glaubenssätze zu entkräften
1. Ist der Gedanke wahr?
2. Kann ich 100% sicher sein, dass es wahr ist?
3. Was fühle und denke ich, wenn ich diesen Gedanken denke?
4. Was wäre ich ohne diesen Gedanken?
Funktion: negative Glaubenssätze hinterfragen, dessen Wirkung bewusst machen und durch die 4. hypothetische Frage Befreiung initiieren

…mehr zur Arbeit mit Glaubenssätzen.

 

Level 5: Funktionale komplexe Interventionen

Um ein Ass aus dem Ärmel zaubern zu können, musst du vorher eines hineingesteckt haben.

Ab hier nutzen wir weniger vorstrukturierte Gesprächsmuster und werden tatsächlich Coaches: denn wir wenden nun aufwendigere Interventionen an, die an das jeweilige Anliegen angepasst werden für die Klienten. Hier werden nicht nur Frage- und Antwort-Schemata eingesetzt, sondern Operationen durchgeführt im Geist des Klienten.

  • Hypnosen & Traumreisen (sicherer Ort, Berg besteigen, Reise in die Kindheit),
    insbesondere wenn die Inhalte maßgeschneidert werden auf die Innenwelt des Gegenübers
  • Paradoxe Intervention
  • Somatic Experiencing
  • Psychoanalyse („heilen durch verstehen“ der Eltern-Beziehungen, Strukturniveau, Abwehrmechanismen, Grundkonflikte)
  • Aufstellung (Familienaufstellung á la Hellinger, Systemaufstellung mit inneren & äußeren Anteilen, Tetralemma)
  • Teile-Arbeit …zum inneren Team
  • Gewohnheiten ändern, neue Mikro-Gewohnheiten lernen (Tiny Habits, „Atomic Habits“, Konditionierung)
    (Trigger–>Verhalten–>Belohnung)
  • Strategische Planung (Vision, Mission, Werte, Meilensteine)
  • Mediation
  • Wildnis-Therapie, zum Beispiel zum Angstabbau
  • Autogenes Training

Funktionale Coaching-Interventionen werden jeweils maßgeschneidert auf den Klienten und seine einzelnen Anliegen, sodass eine grundlegende Transformation des Leidensthemas zu erhoffen ist.

…zur allgemeinen Liste von Interventions-Techniken.

 

Level 6: Präsente Prozessführung

Hier verlassen wir das Handwerk und widmen uns der Kunst bis Magie des Coachings: Diese Kompetenzstufe wird erklommen, wenn die obigen Kompetenzen und Interventionen zur Routine geworden sind und intuitiv passend ausgewählt werden können. Eine Orientierung für diese Stufe bietet die Theory U: alles bisher gelernte wird losgelassen und das, was entstehen und sich entfalten will, wird eingeladen, sich zu verwirklichen.

Wir sind dann weniger Coaches & Trainer, sondern eher Zeugen und Hebammen des sich verwirklichenden Entwicklungsprozesses. Sobald ein konkreter Engpass und Anlass in dem Entwicklungsprozess identifiziert wurde für das weitere Vorgehen, können wir situativ eine der obigen Kommunikations- und Interventionstechniken einsetzen.

Vorbilder für diese Art von Coaching sind zum Beispiel Milton Erickson oder Ajahn Chah – über deren Arbeit gibt es eine Vielzahl inspirierender Geschichten, in denen sie intuitiv eine passende paradoxe Intervention herbei gezaubert haben.

 

Zum Erlernen dieser Kommunikationstechniken für Coaching & Therapie haben wir die Online-Ausbildung Systemisches Coaching entwickelt.

 

Vom Chaos zur Klarheit

Frieda Kahlos Bilder sind Ergebnisse eines psychologischen Entwicklungsprozesses in ihr: aus einer Menge grober, unsortierter Emotionen entstand mit der Zeit ein berührendes Bild, welches metaphorisch ihr Innenleben widerspiegelt, zum Bespiel unter diesem Link zu sehen in ihren Selbstportraits.

Diese berühmt gewordenen Bilder sind jedoch erst das Ergebnis eines dynamischen und eventuell chaotischen Prozesses: ein Ausprobieren, Auswählen, Überarbeiten und Zurechtformen von Mustern, Bildelementen, Farben, Formen unter dem Einsatz verschiedener Werkzeuge.

coaching kommunikationstechniken

Als angehende Coaches sind wir noch ein bisschen wie dieses Mädchen, welches bedächtig in einem wild-kreativen Raum von Werkzeugen, Farben und möglichen Bildern steht. Vielleicht formen sich ein paar Ideen und ein paar Pinselstriche zu einem liebenswerten Werk.

Doch es erfordert viel Übung, Feinschliff, Schulung einzelner Zeichentechniken und die richtige Nutzung der Werkzeuge, sodass ein seelisch bedeutsames Kunstwerk daraus wird.

 

Vorlage: Selbsteinschätzungsbogen für Kommunikationskompetenzen im Coaching

Mit folgendem Selbsteinschätzungsbogen kannst du deine Kompetenzen für Kommunikationstechniken im Coaching reflektieren.

Selbteinschätzung Kommunikationskompetenz - Kommunikationstechniken Systemisches Coaching


Ausbildung Systemisches Coaching

In einer strukturierten Online-Ausbildung lernst du alles, was du als Systemischer Coach wissen musst. Von Methoden, Fragetechniken, Systemen, Interventionstechniken, psychologischen Ansätzen und dem wissenschaftlichen Fundament ist alles dabei. Nach Abschluss erhältst du natürlich ein Zertifikat.

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