Kopfstand-Methode im Coaching

Die Kopfstand-Methode fragt nicht, wie es besser wird – sondern wie es schlimmer wird. Die Kopfstand-Methode ist eine Form der paradoxen Intervention. Sie ist dann wirkungsvoll, wenn man nicht mehr mit einer schädlichen Verhaltensweise hadern möchte, sondern sie durchbrechen. . Im Coaching ist Einvernehmlichkeit wichtig. Eine paradoxe Intervention darf nur einvernehmlich geschehen und Wahrung von emotionaler Sicherheit. Als Coach kannst du deinen Klienten dafür auf ein Gedankenexperiment einladen, um die Möglichkeit der Übertreibung als Musterdurchbrechung zu nutzen.

Anleitung: Kopfstand im Coaching

  1. Benenne, um welche Spannung es geht, und den Kontext, in dem es typischerweise auftritt. Beschreibe die Dysfunktion so konkret wie möglich. Was erzeugt Spannung? Was macht dir Sorgen? Woran bemerkst du es? Halte dich an Details und Symptome: typische Auslöser, typische Reaktionen, typische Folgen. Schreibe so, dass ein außenstehender Mensch das Verhalten nachvollziehen könnte.

Übertreibe die Dysfunktion anschließend absichtlich. Spitze sie zu und lass sie eskalieren. Schreibe eine Extremform, als würdest du das Problem professionell verschlimmern wollen. Erhöhe Häufigkeit, Intensität und Konsequenz, bis die innere Logik des Musters sichtbar wird. Nutze dafür Formulierungen wie: „Wenn ich das garantiert ruinieren wollte, würde ich …“

Inszeniere die Übertreibung als Bild, Rolle oder Mini-Szene. Gib der Extremform einen Namen. Sammle ein paar pointierte Ideen und Assoziationen, die das Muster überdeutlich machen. Erzeuge Klarheit, nicht Kunst: Das Bild soll dir helfen, die Dynamik schnell wiederzuerkennen.

Drehe dann die Übertreibung um. Frage dich: Was wäre das Gegenteil dieser Extremform? Formuliere daraus wenige positive Gegenprinzipien, die du sofort verstehst und wiederholen kannst. Leite daraus konkrete Schritte ab: Grenzen, Schutz-Zonen, Schutz-Zeiten, klare Regeln, hilfreiche Routinen, Materialien oder Verbündete.

Wähle eine einzige Maßnahme für die Umsetzung. Mache sie klein, eindeutig und überprüfbar. Lege eine Ersatzhandlung fest, die du bei Trigger oder Stress sofort ausführen kannst. Baue Reibung für die Dysfunktion ein und senke die Hürde für das gewünschte Verhalten.

Teste das Ganze als kurzes Experiment. Beobachte täglich, was funktioniert und was nicht. Passe nur einen Parameter an, statt alles zu ändern. Halte den Fokus auf Stabilität: weniger Perfektion, mehr Wiederholung.

Sichere am Ende Unterstützung, wenn sie sinnvoll ist. Nutze Menschen, Orte, Zeiten und sichtbare Erinnerungen, damit die Umkehr nicht nur ein Gedanke bleibt, sondern im Alltag greift.

Kopfstand Coaching - Methode Arbeitsblatt

Beispiel: Handy-Konsum

Nina hat einen übermäßigen Handy-Konsum. Immer wenn ein unangenehmes Gefühl auftaucht, wandert die Hand automatisch zum Smartphone. Dadurch wird die Spannung kurzfristig gedrückt oder verdrängt – sie ist aber nicht gelöst, bleibt als innerer Druck bestehen und kommt später wieder. Gleichzeitig zersplittert die Aufmerksamkeit, der Fokus leidet, und auch der Schlaf wurde schlechter.

Wenn man diese Dynamik zuspitzt, landet man in einer Extremform, die suchthaft wirkt: Spannung = Scrollen – automatisch, reflexhaft, stundenlang. Das Handy ist ständig am Körper: auf dem Klo, im Bett, am Tisch, im Gespräch – wie ein „Sicherheitsobjekt“, das jederzeit beruhigen soll. Im schlimmsten Fall provoziert man sogar zusätzlichen Stress (zum Beispiel durch aufwühlende Inhalte), nur um noch mehr Fluchtgrund zu haben. Gespräche werden zunehmend geistesabwesend geführt, was wiederum neue Konflikte erzeugt – ein Kreislauf, der sich selbst verstärkt.

Um diese Übertreibung bildhaft zu inszenieren, kann man sich eine Reihe drastischer Gewohnheiten vorstellen: Das Handy klebt förmlich am Körper, direkt nach dem Aufwachen werden Social Media geöffnet. Es entsteht ein Wettbewerb mit sich selbst, jede Woche noch mehr Zeit am Gerät zu verbringen. Termine mit Freunden werden abgesagt, um „endlich“ mehr Handyzeit zu haben. Für Auszeiten wird sogar ein Zweit-Handy organisiert, damit keine Lücke entsteht. Sogar Bedürfnisse, die eigentlich regulierend wären – etwa Sport – werden „weggedaddelt“. Der Kalender wird so geblockt, dass man nicht mehr zur Arbeit geht, und selbst während Arbeitsterminen wird weiter gespielt oder gescrollt.

Auf die Füße stellen: Die Logik der Übertreibung wird umgedreht, sodass daraus Schutz, Präsenz und echte Konfliktfähigkeit entstehen. Praktisch heißt das: klare Schutz-Zonen und Schutz-Zeiten einrichten, in denen das Handy nicht genutzt wird und immer in der Nähe ist. Achtsamkeit und Präsenz gezielt kultivieren, statt sich wegzubeamen. Ruhe- und Schlafzeiten konsequent wahren. Arbeitszeiten realistisch planen, damit Druck nicht ständig in Flucht umkippt. Außerdem lohnt es sich, systematisch für erfüllte Grundbedürfnisse zu sorgen, weil genau dort die „Sogkraft“ des Handys oft ansetzt. Das Zuhause wird bewusst als Nest gestaltet – als Ort, der Selbstregulation leichter macht. Und schließlich: Vermeidung, Druck und Stress sowie die seelische Unruhe bis hin zu dissoziativem Wegdriften nicht weiter füttern, sondern Schritt für Schritt konfrontieren – in kleinen, machbaren Dosen. Dazu gehört auch, Beziehungen aktiv zu pflegen, in denen authentischer Austausch möglich ist, statt Konflikte in den Bildschirm zu verschieben.

Neurobiologische Grundlagen

Paradoxe Intervention wirkt, weil sie ein dysfunktionales, metastabiles Gleichgewicht kurz destabilisiert. Durch bewusste Zuspitzung wird ein automatisiertes Muster sichtbar, es entstehen Vorhersagefehler und neue Lernsignale, und die präfrontale Steuerung bekommt wieder Zugriff auf eine zuvor gewohnheitsgetriebene Schleife. Im anschließenden Lernfenster lässt sich die Übertreibung in konkrete Gegenstrategien umdrehen, sodass das System in ein gesünderes Gleichgewicht finden kann.

Kopfstand-Methode auf einen Blick

Ziel: Denkmuster irritieren, paradoxe Ideen für Lösungen generieren
🌱 Wurzeln: Kreativitätstechniken, paradoxe Intervention, Walt-Disney-Methode
🧠 Neuro: PFC ↑, DMN ↑, Salience-Netzwerk ↑, Dopaminsystem ↑
🟢 Anspruch: mittel
⚠️ Risiko: Thema wird als nicht ernst genommen erlebt, Lächerlichkeitsgefühl
💡 Indikation: Hadern, festgefahrene Probleme, Innovationsfragen
🚫 Kontra: berechtige negative Emotionen wie Trauer, die einfach Zeit brauchen; existenzielle Krisen, in denen Ernsthaftigkeit nötig ist
🔗 Danach: Perspektivwechsel, Aufwärtsspirale, Visionsarbeit

Schreibe einen Kommentar


Modulare Ausbildung: Systemisches Coaching

In einer strukturierten Online-Ausbildung lernst du alles, was du als Systemischer Coach wissen musst. Von Methoden, Fragetechniken, rechtlichen Rahmenbedinungen, Interventionstechniken, psychologischen Ansätzen und dem wissenschaftlichen Fundament ist alles dabei. Nach Abschluss erhältst du ein Zertifikat.

➜ Mehr zur Coaching-Ausbildung erfahren

🕊 Online-Ausbildung Systemisches Coaching — Start am Mi, 19. November.