Wie funktioniert Kreativität? Die kreative Spannung ist ein wesentliches Konzept zum Verständnis! Als Analogie dient uns die elektrische Spannung – welche ja auch tatsächlich eine Rolle spielt: denn Kreativität im Gehirn geht natürlich einher mit elektrischen Spannungen zwischen den Neuronen im Gehirn. Wenn im Geiste die Kreativität fließt, dann fließt also tatsächlich auch Strom auf der neuronalen Ebene in unserem Nervensystem.
Beispiele »Kreative Spannung«
Eine kreative Spannung liegt vor, wenn in einem oder mehreren Menschen eine psychologische Dissonanz auftaucht, die Anlass bietet für einen kreativen Prozess. Die psychologische Dissonanz kann negativer Art sein, z.B. in einem Gruppenkonflikt, aber auch positiver Art, z. B. durch eine Vision, die einen nicht mehr loslässt.
Anlässe für Kreative Spannungen:
- eine neue berufliche Herausforderung
- ein mathematisches Problem
- Aufbau eines Unternehmens
- ein Gruppenkonflikt
- ein Vortrag vor Publikum
- ein Kunstwerk, welches entstehen soll
- Erfinden und Erzählen einer Geschichte
- Design-Aufgaben
- Verarbeitung eines seelischen Traumas
- eine Vision für die Zukunft der Menschheit
Analogie: Physikalisch gesehen ist eine Spannung eine Potentialdifferenz, z.B. in Form von räumlich getrennten positiven und negativen Ladungen. Die Ladungen versuchen, sich einen Weg zu bahnen, um diese Spannung aufzulösen und nehmen jeglichen Weg, den sie finden können. Grundsätzlich nehmen sie den Weg des geringsten Widerstands. Wenn es keinen einfachen Weg gibt, nehmen sie auch gänzlich labyrinthische Wege… was auch immer funktioniert, um die Ladungsdifferenz zu überwinden. Wenn die Spannung sehr groß ist, und der Weg eher kompliziert, kann sich auch mal ein Blitz entladen und einfach den Weg dazwischen durchschlagen.
Gibt es eine neurobiologische Grundlage für spannungsbasiertes Arbeiten?
Wenn ein Neuron stimuliert wird, kann es ein Aktionspotential erzeugen. Das Aktionspotential ist eine kurzzeitige Veränderung des elektrischen Potenzials, die entlang des Neurons weitergeleitet wird. Das Aktionspotential ermöglicht die Weiterleitung von Informationen und Signalen durch das Nervensystem.
Die elektrischen Spannungen, die im Nervensystem auftreten, sind also eng mit der Aktivität und Kommunikation der Neuronen verbunden. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Übertragung von Informationen, der Koordination von Bewegungen, der Wahrnehmung von Sinnesreizen und vielen anderen neurologischen Prozessen im Körper.
Damit lösen die elektrischen Spannungen auch die Impulse zum Handeln und Verändern aus, die dann eine Gruppe und Organisation stimulieren …mehr zu spannungsbasiertem Arbeiten.
Die kreative Spannung bringt psychologische und materielle Ressourcen zum fließen
Also genau wie die elektrische Potentialdifferenz für Stromfluss Wege der Entladung sorgt, entstehen durch kreative Spannungen der Menschen ganz verschiedene kreative Prozesse, in denen die psychologischen und materiellen Ressourcen fließen. Wenn möglich, gehen die Gedanken und Handlungen der Menschen den Weg des geringsten Widerstands, um ihre Fragen und Probleme zu klären. Aber manchmal sind keine einfachen Wege vorhanden und es müssen erst neue erfunden werden. Wenn die kreative Spannung zu groß ist, kann es auch mal zur Blitz-artigen Disruption kommen.
Wie entstehen Ideen? – aus kreativen Spannungen!
Ideen sind Permutationen von bereits vorhandenen Informationen, auf welche dein Gehirn Zugriff hat… es würfelt die ganze Zeit Informationspakete durcheinander, bewertet diese bewusst oder unbewusst – und wenn mal eins auf ein vorhandenes Problem / eine vorhandene Spannung passt, entsteht das „AAHHH!“ oder „Heureka!“ …mehr zu Kreativität im Gehirn
Biologische Erklärung von Spannungen und Bedürfnissen
Unser Nervensystem funktioniert über die Weiterleitung von elektrischen Impulsen zwischen Nervenzellen wie im folgenden Bild dargestellt:
Die Organe in unserem Körper kommunizieren über die Weiterleitung von elektrischen Impulsen und sorgen so für die Ausführung von Handlungen, um die Bedürfnisse eines Organs zu erfüllen, zum Beispiel zu Essen, zu trinken, auf Toilette zu gehen oder sich Schlafen zu legen.
Kleine oder große Spannung? Wenn ein Organ ein stärkeres Bedürfnis hat, leitet es wiederholt Aktionspotentiale weiter, sodass eine stärkere Aktivierung entsteht – und damit eine größere Spannung, solange das Bedürfnis nicht erfüllt wurde.
Subtile Spannungen: Viele Spannungen basieren nicht auf körperlichen Organen, sondern auf subtileren sozialen Bedürfnissen, sodass Wünsche nach „Anerkennung“, „Zugehörigkeit“, „Gleichberechtigung“ oder „Konfliktlösung“ entstehen. Die sind leichter verständlich über das Modell eines sozialen Nervensystems. Das soziale Nervensystem besteht nach Stephen Porges aus den Vagusnerven [1], außerdem verarbeitet das limbische System Emotionen [2] und damit auch soziale Emotionen wie Scham, Schuld, Ehre oder Neid.
Evolutionär sind Menschen in Gruppen entstanden, wobei die Zugehörigkeit zu einer Gruppe das Überleben gegenüber einer rauen Umwelt sichern sollte. So schüttet der Körper das Stresshormon Cortisol aus bei der Gefahr, die Zugehörigkeit zu verlieren, und Oxytocin bei Zeichen der Zugehörigkeit.
Quellen:
[1] Porges, Stephen W. „The polyvagal theory: new insights into adaptive reactions of the autonomic nervous system.“ Cleveland Clinic journal of medicine 76.Suppl 2 (2009): S86.
[2] Joseph, Rhawn. „Environmental influences on neural plasticity, the limbic system, emotional development and attachment: a review.“ Child psychiatry and human development 29.3 (1999): 189-208.