Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie ist eines der Verfahren, die in der heutigen Psychotherapie am häufigsten eingesetzt werden. Dabei umfasst die Verhaltenstherapie Methoden, deren Wirksamkeit als wissenschaftlich erwiesen gilt. All diese Methoden haben gemeinsam, dass sie unser Verhalten als Produkt unserer Lernerfahrungen betrachten. So kann problematisches Verhalten mit gezieltem Training auch wieder „verlernt“ werden.

Was genau ist Verhaltenstherapie?

Die klassische Verhaltenstherapie geht auf den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück und wurde von dem Psychologen John B. Watson entwickelt. Anders als zum Beispiel die Tiefenpsychologie fragt die Verhaltenstherapie weniger nach der Geschichte oder der Kindheit eines Menschen und damit nach den Wurzeln der Probleme. Viel mehr geht es hier um den derzeitigen Zustand und um die Verhaltensweisen, die aktuell zu Problemen führen. Dabei meint Verhalten nicht nur die sichtbaren Reaktionen, sondern auch die Gedanken, Gefühle und Bewertungen eines Menschen.

Die Methoden der Verhaltenstherapie gründen auf den Erkenntnissen der Lerntheorie. Unsere Verhaltensweisen haben wir uns mit der Zeit angeeignet, zum Beispiel durch die Prinzipien der Konditionierung. Wenn jedes Verhalten eines Menschen im Laufe des Lebens erlernt wurde, so können falsch gelernte Reaktionen auch wieder umgelernt werden. Dabei versteht sich die Verhaltenstherapie als Hilfe zur Selbsthilfe. Dem Betroffenen werden gezielt Verfahren an die Hand gegeben, mit denen er an seinem Verhalten arbeiten kann.

Der Ablauf einer Verhaltenstherapie entspricht meist in etwa dem folgenden Schema:

  1. Anamnese: Analyse des Problems und der dahinter liegenden Verhaltensmuster
  2. Festlegung der Ziele der Behandlung
  3. Erstellung eines Therapieplans
  4. Übung verschiedener Methoden, inklusive „Hausaufgaben“

Wie wirksam ist die Verhaltenstherapie?

Die Wirksamkeit der Verhaltenstherapie gilt als wissenschaftlich erwiesen [¹²]. Neben verschiedenen anderen Verfahren wird die Durchführung daher von den Krankenkassen bezahlt, wenn sie von einem Therapeuten mit Approbation erfolgt. Einzelne Methoden der Verhaltenstherapie finden aber auch im Coaching oder der Persönlichkeitsentwicklung Einsatz.

In der Psychotherapie findet Verhaltenstherapie bei verschiedensten Krankheitsbildern statt, wie beispielsweise Depressionen, Angststörungen, Trauma, Zwangserkrankungen und Suchterkrankungen. Auch in vielen Konfliktsituationen kann eine solche Therapie hilfreich sein. Dabei ist der Erfolg der Therapie unter anderem davon abhängig, dass eine gute Beziehung zwischen Therapeut und dem Klienten vorliegt.

Welche Methoden verwendet die Verhaltenstherapie?

Die Verhaltenstherapie umfasst ein großes Spektrum an verschiedenen Methoden, von denen in diesem Artikel nur die Bekanntesten vorgestellt werden können. All die verschiedenen Verfahren lassen sich in die folgenden vier Kategorien einteilen:

  • Konfrontationsverfahren
  • kognitive Verhaltenstherapie
  • operante Verfahren
  • emotionale und körperfokussierte Verhaltenstherapie

Konfrontationsverfahren

Konfrontative Verfahren nutzt ein Therapeut vor allem bei Angststörungen und Phobien. Das problematische Verhalten ist in diesem Fall die Angstreaktion, die durch einen eigentlich ungefährlichen Reiz (etwa eine Spinne) ausgelöst wird. Die Idee hinter der Konfrontationsmethode ist Folgende: Kommt ein Mensch mit einer Spinnenphobie immer wieder mit einer Spinne in Berührung ohne dass ihm etwa Schlimmes widerfährt, so wird er irgendwann lernen, dass keine Gefahr droht. Folglich verschwindet die Angst vor Spinnen. Der Fachmann spricht von der sogenannten Extinktion.

Die Konfrontation mit dem angstauslösenden Reiz kann dabei auf verschiedene Arten ablaufen. Zwei Methodikbeispiele, die relativ bekannt sind, sind die Desensibilisierung und das sogenannte Flooding.

Die systematische Desensibilisierung beruht auf der Grundannahme, dass ein Angstzustand nicht gleichzeitig mit körperlicher Entspannung bestehen kann. Daher kommt der Betroffene mit dem Reiz, der die Angst auslöst, nur schrittweise in Berührung und soll sich quasi an ihn gewöhnen. Währenddessen setzt er Methoden zur Entspannung ein, um sich möglichst angstfrei und schrittweise an den Reiz zu gewöhnen. Ein Beispiel: Ein Mensch mit starker Höhenangst stellt sich zunächst nur gedanklich vor, er stehe auf einer erhöhten Postion. Anschließend begibt er sich auf eine sehr niedrige Höhe, etwa eine Treppenstufe. Dann wird die Höhe schrittweise gesteigert, bis er es irgendwann auch auf eine große Höhe schafft, ohne Angst zu erleben.

Das Flooding verfolgt einen anderen Ansatz. Hier setzt sich der Betroffene direkt einem Reiz aus, der sehr große Angst auslöst. Wichtig hierbei ist, die Angst unbedingt auszuhalten, bis sie irgendwann von selbst nachlässt. So soll der Betroffene lernen, dass nichts Schlimmes passiert und die Angst letztlich unbegründet ist. Um im Höhenangst-Beispiel zu bleiben: Die Person stellt sich auf einen sehr hohen Turm, möglichst direkt an das Geländer mit dem Abgrund vor den Füßen (oder an eben die Stelle, die für ihn die maximale Angst auslöst).

Kognitive Verhaltenstherapie

Die Kognitive Verhaltenstherapie ist ein eigener Teilbereich, der viele verschiedene Methoden umfasst. In diesem Zusammenhang sind mit „Verhalten“ vor allem alle kognitiven Prozesse, also unsere Gedanken, Bewertungen und Überzeugungen gemeint. Ein Einsatzgebiet sind beispielsweise Depressionen.

Die Grundannahme hinter der kognitiven Verhaltenstherapie ist, dass verzerrte Bewertungen und negative Gedanken zu Problemen führen, beispielsweise zu depressiven Symptomen. Ziel der Therapie ist, diese dysfunktionalen Gedanken zu erkennen und in einem zweiten Schritt umzustrukturieren. Ein solcher Gedanke könnte bei einem depressiven Menschen beispielsweise lauten: „Ich bin nicht liebenswert“.

Ein Beispiel für eine Methode der kognitiven Verhaltenstherapie ist die Zweispaltentechnik. Dabei soll der Betroffene gezielt Beweise sammeln, die gegen die negative Überzeugung sprechen.

Operante Verfahren

Operante Verfahren gehen ursprünglich auf die Theorie der klassischen Konditionierung zurück. Durch den Einsatz positiver und negativer Verstärker soll erwünschtes Verhalten verstärkt werden, sodass es in Zukunft häufiger auftritt.

Eine einfache Methode aus diesem Bereich der Verhaltenstherapie sind sogenannte Verstärkerpläne. Auf diesen Schemata bekommen Klienten Punkte für erwünschtes Verhalten (oder für das Ausbleiben unerwünschter Verhaltensweisen). Hat der Klient eine bestimmte Anzahl an Punkten gesammelt, bekommt er eine Belohnung.

Eine andere, recht bekannte Methode ist das Shaping. Hierbei wird nicht nur das gewünschte Zielverhalten verstärkt, sondern auch jede Annäherung. Dazu wird das Zielverhalten in einzelne Elemente unterteilt. Einsatz findet das Shaping beispielsweise bei Menschen mit Essstörungen, die ihr Verhlaten häufig nur schrittweise ändern können.

Emotionale und körperfokussierte Verhaltenstherapie

Die Methoden aus diesem Block sind vor allem angezeigt, wenn eine körperliche Symptomatik im Vordergrund steht. Dies könnte beispielsweise bei psychosomatischen Schmerzen oder stressinduzierten Erkrankungen der Fall sein. Eingesetzt werden hier vor allem Entspannungstechniken oder Körper- und Wahrnehmungsübungen.

Fazit Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie ist ein großer Teilbereich der Psychotherapie, die eine große Anzahl an verschiedenen Methoden umfasst. In zahlreichen Studien wurde die Wirksamkeit der VT für diverse Problembereiche belegt, weshalb sie als wissenschaftlich anerkannt gilt. Voraussetzung für einen Erfolg sind neben einer positiven Beziehung zum Therapeuten ein Problembewusstsein und der Wille, intensiv an unerwünschten Verhaltensweisen zu arbeiten. Wichtig ist, die Therapie auf den Klienten zuzuschneiden: denn es gibt zwischen den Menschen Unterschiede durch Genetik und Kondition des Organismus, die sich insbesondere in der Stresskapazität und Vulnerabilität zeigen, welche die Störanfälligkeit des Organismus (und damit auch von Geist und Seele) beeinflussen.

[1] Dirk Revenstorf: Psychotherapeutische Verfahren. Band II: Verhaltenstherapie. Kohlhammer, 1996.
[2] Doris K. Silverman: What Works in Psychotherapy and How Do We Know?: What Evidence-Based Practice Has to Offer. In: Psychoanalytic Psychology. 22 (2), 2005

Weitere Quellen:

Modulare Ausbildung: Systemisches Coaching

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