Kinder haben Eltern und Lehrer,
Völker haben Könige (oder Politiker),
Organisationen haben Führungskräfte,
Gruppen und Gruppen-Meetings haben Moderatoren.
Dieser Artikel soll Karlheit geben über die Rolle,
Warum brauchen wir Moderatoren?
Problem: Stell dir vor, Menschen in der Gruppe sind wie kleine atomare Teilchen: sie bewegen sich vollkommen zufällig hin und her ohne Sinn und Plan. So ähnlich können sich auch Menschengruppen verhalten: vollkommen zufällig, ohne Sinn und Plan.
Moderation sorgt dafür, dass Meetings und Gruppenprozesse einem sinnvollen Plan folgen. Dabei formulieren Moderatoren vor allem den Plan für das Gespräch. Sie selbst geben aber meistens nichts den Sinn bzw. das Ziel oder die Vision vor, sondern greifen sie vom Auftraggeber auf. Damit sollten wir Moderatoren noch einmal unterscheiden von Facilitatoren und Führungskräften. Dafür hilft uns der englische Begriff Agency, den du dir vereinfacht als Willen vorstellen kannst oder als zielgerichtete Bewegung: Agency ist die Fähigkeit eines Menschen, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, ein Ziel zu haben und damit einem Willen zu folgen [1].
Moderatoren sind temporäre Offiziere in der Kommunikations-Armee
Agency ist die Fähigkeit eines Menschen, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, ein Ziel zu haben und damit einem Willen zu folgen. Jede Organisation beruht auf Agency in Form von:
- einer inspirierenden Vision,
- einem Problem, welches gelöst werden soll,
- einem klaren Willen,
- einem Ziel oder
- einem höheren Sinn.
Biopsychologisch gesehen basiert die Agency auf der mittleren bis starken Erregung des Organismus kombiniert mit einem kognitiven Aktivierung von handlungsorientierten Gehirnnetzwerken, neurobiologisch gibt es dafür also irgendwo ein Aktionspotential, welches eine Reihe von weiteren Aktivitäten in Gang setzt [2].
Im New Work sprechen wir allgemein von einer Spannung, die gelöst werden will durch die Agency.
Moderatoren verwirklichen die Agency einer Gruppe, bringen sie aber normalerweise nicht selbst mit. Moderatoren strukturieren die Kommunikation der Gruppe, sodass die Gespräche in eine sinnvolle Richtung und zu einem wünschenswerten Ergebnis laufen können.
Moderatoren sind also temporäre Offiziere in der Kommunikations-Armee: sie verwirklichen die Vorgaben des höheren Auftraggebers und dirigieren dafür eine Gruppe von beteiligten Menschen. Sie selbst verkörpern in dieser Rolle aber nicht die zentrale Macht, sondern helfen dabei, diese in einer Gruppe umzusetzen.
Gesprächsführung, Agency & Macht
Hier sollten nun noch einmal unterscheiden, woher die Agency kommt und wer die letztliche Macht über die Gruppe innehat. Denn darin unterscheiden sich Moderatoren und Führungskräfte einer Organisation: Moderatoren haben nur die Gesprächsführung, aber keine Macht. Sie sind dafür da, ein Gespräch zu strukturieren nach einem vorgegeben Ziel. Sie haben keine eigene Agency, sondern verwirklichen die des Auftraggebers, zumeist der Führungskraft einer Organisation.
Vergleich Moderation, Facilitation & Führung
- Moderatoren (M): Gesprächsführung, keine eigne Agency, keine strukturelle Macht
- Führungskräfte (FK): können Gesprächsführung selbst ausüben oder an Moderatoren abgeben, sollten Agency haben (zumindest die durch die Organisation vorgegebene), FK haben strukturelle Macht
- Facilitatoren sind eine spezielle Form der Moderatoren: sie übernehmen genau wie Moderatoren temporär die Gesprächsführung, und übernehmen manchmal auch temporär die Agency bzw. besser: helfen der Gruppe, wieder zu einer eigenen Agency finden, haben aber in ihrer Rolle keine strukturelle Macht, um den Willen auch durchzusetzen. Ein anderes Wort für Faciliation ist Prozessbegleitung, welches in den Blick nimmt, dass menschliche Entwicklungsprozesse auf ein höheres Ziel ausgerichtet sein sollten.
Insbesondere wenn eine Organisation und ihre Führungskräfte selbst die Orientierung und die Agency verloren haben und zum Beispiel nach einer neuen Vision suchen oder in einem Konflikt stecken, dann ist die Moderation besonders anspruchsvoll und sollte von erfahrenen Facilitatoren übernommen werden …mehr zu Facilitation-Kompetenz.
Keine Moderation ohne Auftrag
Moderatoren sind archetypisch die Narren oder Weisen, während die Führungskräfte die Könige sind. Die Narren dienen der Unterhaltung, die Weisen dem Abbau der Unsicherheit. Solange sie dem König gefällig sind, dürfen sie am Hof bleiben und werden dafür honoriert. Überschreiten sie allerdings ihre Befugnisse oder missfallen in ihrem Verhalten dem König, werden sie einen Kopf kürzer gemacht – oder zumindest des Hofes verwiesen.
Daher sollten sich die Moderatoren lieber gut an ihrem Auftrag orientieren bzw. zunächst dafür sorgen, dass sie einen klaren Auftrag haben, damit sie Honorar, Anerkennung und Folgeaufträge erhalten.
Dramadreieck: Facilitatoren und Führungskräfte sind Retter, Moderatoren sind Vermittler
Die Überforderung der Gruppe will von einer kompetenten Person gelöst werden. So wie es die Aufgabe der Eltern ist, die Überforderung und Angst der Kinder zu regulieren und für Sicherheit zu sorgen,
so ist es die Aufgabe der Führungskräfte Orientierung zu geben und für Sicherheit und gute Entscheidungen zu sorgen. Sie können die Gesprächsführung an Moderatoren delegieren und in passenden Fällen auch an Facilitatoren outsourcen, allerdings gefährden sie damit das Attachment der Gruppenmitglieder.
Daraus ergeben sich gefährliche Aufträge für Moderatoren: wenn eine überforderte Gruppe gerettet werden will, ergibt sich eine Zwickmühle. Übernimmt der Moderator die gruppendynamische Rettung der Gruppe, dann wird damit die Rolle und Klarheit der Führungskraft in Frage gestellt.
Risiko Teamentwicklung
Ein typisches Dilemma zwischen Auftrag & Agency zeigt sich im Auftrag Teamentwicklung. Hinter Teamentwicklung steckt zumeist der Auftrag, der Gruppe wieder zu Kohärenz, Harmonie und Zusammenhalt zu führen – das heißt, irgendwo im Hintergrund schlummert ein Konflikt, Orientierungslosigkeit oder eine Blockade bei der Führungskraft. Denn wäre die Führungskraft klar in ihrer Rolle und Führungskompetenz, könnte sie entsprechend ihrer Rolle der Gruppe Orientierung geben und Unsicherheiten abbauen.
Gefahr: Sollte der Moderator oder Facilitator es dann schaffen, für neue Klarheit zu sorgen, bekommt er als Dank die Anerkennung der Gruppenmitglieder und das Vertrauen, welches eigentlich der Chef bekommen sollte. Damit könnte, umgekehrt formuliert, das Vertrauen der Gruppe in den Chef sinken, und damit die Zufriedenheit des Chefs mit dem Moderator.
Um loyal zu bleiben, spreche ich mich daher im Vorfeld mit der Führungskraft ab, insbesondere für die Übergabe am Ende: dadurch helfe ich nicht nur der Führungskraft, ihre Souveränität zu wahren, sondern auch der Gruppe, wieder zu einem klaren weiteren Prozess zu finden.
Wie gehe ich als Moderator oder Facilitator nun vor, wenn ich einen Auftrag zur Moderation übernehmen soll oder will?
Anleitung: Klaren Auftrag erarbeiten als Facilitator in 5 Schritten
- Absprache mit dem Auftraggeber: lass dir den Auftrag so exakt wie möglich vom Auftraggeber formulieren, am besten schriftlich.
- Schärfe den Auftrag bezüglich Ziel, Rahmenbedingungen, vorhandener Konflikte & Spannungen und kultureller Besonderheiten.
- Ein Ziel ist im besten Fall ein SMART-Goal: spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, zeitlich terminiert.
- Definiere die Rahmenbedingungen (Zeit, Ort, Personen, Fähigkeiten, kulturelle oder persönliche Besonderheiten in Sprache, Erwartungen und eventueller Triggerpunkte)
- Sollte es einen Konflikt zwischen Führung und Gefolge geben, stelle deine Rolle und Parteilichkeit oder Unparteilichkeit klar und spiele ggf. die Eskalations-Szenarien durch,
- Qualitätskriterien definieren: Was macht für eine gute Moderation aus? – und wie sollte sie auf keinen Fall aussehen?
- Falls es dir so scheint als kämest du in einen Rollenkonflikt, sprich es möglichst diplomatisch an. Falls du wie oben beschrieben Gefahr laufen könntest, zu viel Agency zu übernehmen, hilf dem Chef seine eigene Agency und Haltung zu klären (die Richtung weisend, entspannt, herzlich, Wertschätzung gebend), ggf. mit Hilfe eines Coaches oder Sparringpartners.
- Gib den Auftrag mit eigenen Worten wieder und lass dir deine Version vom Auftraggeber bestätigen bzw. passe sie solange an, bis ihr beide das gleiche Verständnis habt.
Gib hier insbesondere das Ziel und die bekannten Randbedingungen wieder (Zeit, Ort, Personen, kulturelle Besonderheiten). Dies kann zum Beispiel im Zuge der Angebotsformulierung geschehen, welches dann schriftlich vom Auftraggeber angenommen wird.- Meine Lieblingsfrage hierfür ist: Stell dir vor, es läuft im nächsten Jahr alles super und du schaust zurück auf die Veranstaltung – wie genau konnte dann das Event und meine Moderation zu dem Erfolg beitragen?
- Wenn du im Vorfeld ein Konzept erstellen sollst, stecke genau so viel Zeit und Energie hinein, wie du bereit zu geben bist unter dem Risiko, dass du den Auftrag doch nicht bekommst. Im einfachsten Fall sind es ein paar Worte am Telefon oder ein paar Email-Zeilen, im Extremfall ist es jahrelange Akquise-Arbeit mit vielen Meetings und Konzept-Seiten. Sei dir stets bewusst, dass du den Auftrag nicht kriegen könntest.
- Vereinbart einen eindeutigen Deal: Honorar und Nebenkosten (Reise, Material), Stornierungsbedingungen, Mehraufwand (falls ein fester Preis vereinbart wurde), Vertraulichkeit, Urheberrecht für von dir erstellte Seminarunterlagen.
- Durchführung:
- Bereite die Durchführung vor, indem du deinen Auftritt, die Agenda, Methoden und Materialien auf das Ziel und die Bedürfnisse der Teilnehmenden designst und dir ggf. vom Auftraggeber absegnen lässt und dann
- Liefere in höchstmöglicher Qualität (Auftritt, Methodik, Materialien) entsprechend der Vereinbarung. Durch kleine unerwartete Extras kannst du nachhaltig positiv in Erinnerung bleiben und maximierst die Chance für einen Folgeauftrag.
Wenn du selbst Auftraggeber bist und einen Moderator suchst oder briefen möchtest, kannst du die obigen Schritte genau so durchgehen, um für maximale Klarheit im Moderationsauftrag zu sorgen. Wenn du deinen Moderator etwas testen und herausfordern möchtest, verschweige einfach die eventuellen Konflikte und versteckten Absichten der Personen und tu so als handele es sich um ein ganz harmloses Meeting. Du kannst zusätzlich auch noch ein paar Gerüchte im Vorfeld streuen, für unpassenden Leistungsdruck sorgen. Dafür dient dir die Serie Stromberg als Vorbild.