Yoga & Kreativität

Kreativität ist zu einem „must have“ geworden. Leider erzeugen das „müssen“ und unser normaler, mindestens leicht gestresster Geisteszustand aus „schnell-viel-erledigen“ und „Ergebnisse produzieren“ das Gegenteil dessen, was wir brauchen, um unsere Kreativität fließen zu lassen: Einen entspannten mind, der im hier & jetzt präsent ist, sich dabei von Freude tragen lässt und mühelos Ideen in die Welt setzt.

Was also machen? Ich empfehle Re-kreation mit Yoga & aktiver Meditation.

Nun könnte man meinen, Yoga ist etwas für den Körper und Kreativität kommt aus dem Kopf. Was soll beides miteinander zu tun haben? Viel mehr als es in Zeiten von „talking heads“ den meisten vielleicht lieb wäre.

Zum einen ist da die physiologische Wirkung: Wir brauchen unseren gesamten Körper zum Denken. Wenn ich entspannte Schultern habe und dabei besser atme, steigt sofort die Durchblutung in meinem Gehirn. Glucose und Sauerstoff werden in größerer Menge bereitgestellt, was wiederum die kognitive Leistung verbessert.

Der Körper und insbesondere die Blutchemie haben einen überaus mächtigen Einfluss auf unseren Geist. Denken wir einmal daran, als wir das letzte Mal sehr müde waren. Wir funktionieren noch wie gewohnt, aber viel mehr auch nicht. Über unser Hormonsystem und die Neurotransmitter wird das gesamte Körper-Geist-System beeinflusst. Beides lässt sich wiederum über den Körper stimulieren und steuern. Wenn ich die Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben ziehe, werden nach einigen Momenten Glückshormone ausgeschüttet. Sind diese Systeme optimal ausgerichtet, zum Beispiel wenn wir Begeisterung verspüren, dann haben wir auch die besten Ideen.

Ebenso gut lässt sich die Aktivität unserer Gehirnhälften über unseren Körper steuern. Zum Beispiel durch Überkreuz-Bewegungen. Die Gehirnhälften auszugleichen ist im kreativen Prozess immer wieder sehr wichtig. Denn in unserem modernen Leben dominiert normalerweise die linke Hirnhälfte. Sie verarbeitet Informationen linear, analytisch, sprachbasiert und auf mich als Individuum bezogen. Dadurch fehlen uns die wunderbaren Kapazitäten der rechten Gehirnhälfte. Hier ist unser Gegenwartsbewusstsein angesiedelt, mit dem Vermögen Komplexität und das „bigger picture“ zu erkennen und sich verbunden zu fühlen mit allen fühlenden Wesen auf diesem Planeten.

Soweit so klar und mit vielen Körpertrainings-Methoden erreichbar. Wenn wir Yoga aber nur als Sport betrachten, dann haben wir den besten Teil verpasst.

Das Wort Yoga bedeutet Einheit: Von Körper, Seele, Geist und dem großen Ganzen. Wenn wir Yoga zusammen mit Achtsamkeit praktizieren, dazu Atemtechniken und Meditation einsetzen, können wir unsere Energie und unseren Bewusstseinszustand noch viel zielgerichteter steuern. Was möchtest Du heute? Mehr Energie, um Dich hochzufahren? Mehr Entspannung, um dich runterzufahren? Ein stärkeres Nervensystem, um mehr Informationen verarbeiten zu können? Oder soll es mehr Empathie sein und die Fähigkeit besser zuhören zu können? Für all dies gibt es Techniken. Mit Yoga kommen wir in den „Flow“ genannten Bewusstseinszustand, der Grundlage aller höheren Geistesflüge ist: Selbstvergessen, mit stark gebündelter Aufmerksamkeit, dabei selig wie spielende Kinder arbeiten wir an unserer kreativen Aufgabe und allein das Tun ist Lohn genug.

Nicht zuletzt bringt Yoga eine Pause vom Denken. Dieses Loslassen ist essentiell für den kreativen Prozess und ermöglicht Deiner unbewussten Intelligenz mitzuwirken, die viel umfassender in den Gründen Deiner Erfahrung forscht. Außerdem Informationen miteinander in Beziehung setzt, die scheinbar nicht zusammengehören, und so den notwendigen Quantensprung für Deine Idee liefert. Plötzlich ist etwas Neues geboren. Heureka.

Lasst es uns ausprobieren!

Technologien

Jedes Detail der Haltungen und Bewegungen hat einen bestimmten Sinn und sollte so korrekt wie möglich ausgeführt werden. Basis jeder Meditation ist ein Training der Aufmerksamkeit. Wir arbeiten zum einen über den Körper: mit Atemtechniken, Klang, Vibrationen, Augenfokuspunkten, Arm- und Handhaltungen (Mudras) und Energieschleusen (Bandhas). Zum anderen lenken wir unseren Geist: Mit dem Meditationswort (Mantra), Ausrichtung unseres Fokus und unserer Absicht.

Um Veränderungen in unserem Gehirn zu ermöglichen, müssen wir raus aus unserem Beta-Wellen-Alltagsbewusstsein – das vornehmlich Gewohnheiten abspult oder unter Stress steht – und tief hinein in einen Alphawellenzustand. In ein entspanntes, innerliches und gleichzeitig waches Bewusstsein, indem wir unseren Geist wortwörtlich „neu programmieren“ können.

Atemführung

Ein guter, langer, tiefer Atem ist machtvoll. Wenn ich meinen Atem kontrolliere, kontrolliere ich meinen Geist. Was nicht bedeutet, dass wir unsere Gedanken stoppen können. Aber wir können mit dem, was in unserem Geist geschieht, bewusst umgehen. Die Gedanken beruhigen sich nach und nach von ganz allein. Je langsamer Sie atmen desto weiter und klarer wird Ihr Bewusstsein und desto besser auch Ihr Gedächtnis und Ihr Erinnerungsvermögen. Das funktioniert auf Grundlage unserer Körperphysiologie: Atme ich lang und tief, produzieren die Lungen das Neuropeptid Y, welches ins Gehirn gesandt wird und dort die Produktion von Endorphinen („Glückshormonen“) anregt. Ich verliere meinen Stress-Tunnelblick, bin gelassen und heiter und habe Raum für Neues. Das Wort Inspiration stammt von inspirare ab, was so viel wie „einhauchen“ bedeutet.

Über eine bewusste Atemführung erlangen wir auch die Fähigkeit zur Selbstregulation. Jede Emotion und jede Stimmung wird von einem ganz bestimmten Atemmuster begleitet, das gebraucht wird, um die Emotion aufrechtzuerhalten. Wenn Sie einem Gefühl die Macht nehmen wollen, dann können Sie den Atemrhythmus ändern. Ein flacher Atem ist mit Anspannung, Wut, Aufregung und Angst korreliert. Dabei werden wir schneller müde, weil wir nicht nur weniger Energie in Form von Sauerstoff aufnehmen, sondern auch zu viel Kohlendioxid in unserem System kursiert.

Mit einem langen tiefen Atem heben wir uns auf ein anderes Energielevel. Wir sind entspannt und fühlen uns gut. Wenn ich diesen balancierten Zustand leicht ändere und das lange tiefe Ausatmen betone, dann sinkt meine Herzfrequenz und ich werde emotional sehr stabil. Wenn ich auf die kleinen Atempausen zwischen Einatmen und Ausatmen und Ausatmen und Einatmen achte und sie ausdehne ergeben sich weitere Effekte. In der Pause zwischen dem Einatmen und dem Ausatmen wird mein Geist stiller und dabei wachsamer. In der Pause zwischen dem Ausatmen und dem Einatmen wird mein Geist ebenfalls stiller, aber dabei akzeptierender und entspannter.

Wir praktizieren außerdem den Feueratem: einen schnellen Atem durch die Nase, der das Zwerchfell öffnet, gezielt Energie freisetzt und einen unblockierten, das heißt empfangsbereiten Geist schafft.

Mudra

Mudras sind bestimmte Hand- und Armhaltungen und auch Bewegungen, wie zum Beispiel wenn meine Hände in der typischen Meditationshaltung ruhen und Daumen und Zeigefinger sich berühren (Gyan Mudra = Mudra der Erkenntnis). Wir nutzen die Haltungen zur Stimulierung bestimmter Gehirnbereiche und damit zur Herstellung von bestimmten Bewusstseinszuständen. Ein weiteres Beispiel ist die Gebetshaltung. Sie gleicht die Aktivität der Gehirnhälften aus. Diese Wirkungen sind gar nicht so subtiler Natur, wie man das annehmen könnte. Probieren Sie es aus!

Augenfokuspunkte

Mit dem Ausrichten der Augen und des optischen Nervs auf bestimmte Punkte können wir ganz bestimmte Wirkungen erzielen:

Augenfokus auf den Bereich zwischen den Augenbrauen: Regt die Hypophyse an, unsere Meisterdrüse des Hormonsystems. Stimuliert unsere Fähigkeit zur Intuition und zur Navigation durch unbekanntes Terrain.

Augenfokus auf die Nasenspitze: Regt den Vagusnerv an, den größten Nerv des Entspannungsnervensystems und beruhigt Gedanken.

Augenfokus auf den höchsten Bereich des Kopfes („Kronenchakra“): Regt die Zirbeldrüse an, die u. a. über die Melatoninproduktion unseren Wach- und Schlafrhythmus und unsere Aufmerksamkeitskapazität steuert.

Augenfokus auf die Kinnspitze: Erschafft eine tiefe Verbindung zu uns selbst, bringt emotionale Stabilität.

Meditationswort / Mantra

Mantras habe ich lange für esoterischen Schnickschnack gehalten. Heute weiß ich: Das Meditationswort ist eine Technologie, mit der wir unseren emotionalen und geistigen Zustand verändern können. Ein Mantra vereint eine ganze Reihe von Wirkmechanismen. Zum einen beeinflusst es durch mechanische Vibration den Körper. Summen sie mal tief und legen sie die Hand auf Ihre Brust, dann können Sie spüren, wie die Klangwellen sich ausbreiten. Veränderungen in den Zellen werden durch das physikalische Gesetz der Resonanz bewirkt: Stelle ich zwei unterschiedlich schwingende Pendeluhren nebeneinander, werden sie sich nach einer Weile synchronisieren. So wirkt die Vibration eines Mantras auf das Gehirn. Ich erzeuge ganz bestimmte Frequenzmuster und -rhythmen und diese übertragen sich auf meinen Körper bis hin zur Zellebene. Mit einem Mantra sende ich bestimmte Frequenzen mit ganz bestimmten Rhythmen in einen höchst empfänglichen Bereich: Den Gaumen, der Sitz von 82 Meridianpunkten ist und der sich außerdem direkt unterhalb der Hyphophyse befindet, der Steuerungsdrüse unseres Hormonsystems. Die Vibrationen stimulieren gleichzeitig über den Vagusnerv unser Entspannungsnervensystem mit all den weitreichenden Folgen und wir verlängern und vertiefen unseren Atem. Die Schwingungen unserer Gehirnwellen werden harmonisiert.

Zum anderen wirkt ein Mantra über den Geist. Wir besetzen unseren Sprachkanal und durch die ständige Wiederholung lösen sich Gedankenschleifen auf. Der Autopilot stoppt, wir werden bewusster.

Mit einem Mantra erzeugen wir eine mechanische Vibration in der Mundhöhle, also direkt unterhalb unseres Gehirns und im Speziellen nah der Zirbeldrüse.

Meridianpunkte

Die traditionelle chinesische Medizin beschreibt unseren Körper als von Energieleitbahnen durchzogen. Entlang der Meridiane liegen Akupunkturpunkte, über die man die Energie der jeweiligen Leitbahn beeinflussen kann. Beispielsweise befindet sich ein Herzmeridianpunkt an der Außenkante der Hand unterhalb des kleinen Fingers. Flache ich die Hand nach hinten ab, wird dieser Punkt stimuliert und beruhigt das Herz. Ein ruhiges Herz ist eine wichtige Voraussetzung für einen klaren Geist.

Dieser Text stammt von Arielle Kohlschmidt, Kundalini-Yoga Lehrerin und Expertin für kognitiv-seelisch funktionales Yoga.

Video-Anleitung: Kundalini-Yoga für Kreativität & Flow mit Arielle Kohlschmidt