Am Beispiel des Klimawandels kann beobachtet werden, wie Handeln & Denken getrennt sein können: Auch viele gebildete Menschen, die sich der ökologischen Konsequenzen ihres Verhaltens bewusst sind, halten sich nicht an einfache ökologische Handlungsprinzipien.
Einfache Heurisitken für einen ökologischen Lebensstil bezüglich Reisen, Ernährung und Konsum sind zum Beispiel:
- Vermeide Reisen mit Flugzeug und Auto so weit wie möglich
- Bevorzuge Mobilität mit Fahrrad, öffentlichen Verkehrsmitteln und auf regenerativen Energien basierenden Antrieben
- Konsumiere möglichst regional, saisonal und vegetarische Lebensmittel
- Vermeide Fleisch und tierische Produkte aus Massentierhaltung so weit wie möglich möglich
- Erhalte Gegenstände und Objekte wie Kleidung, Möbeln, Computer und Immobilien und verwende sie so lange wie sinnvoll weiter
- Vermeide Neukäufe, Verschleiß und Wegschmeißen
Hierin ist kein absoluter Verzicht auf Flugreisen, Fleisch und Neukäufe vorgegeben, aber eben eine Entscheidungrichtlinie, „Im Zweifelsfall möglichst wenig Umweltkosten“. Nun ist auch bei ökologisch gebildeten Menschen und gesellschaftlich dafür berufenen Akteuren ein häufiges Handeln entgegen dieser Prinzipien zu beobachten.
Dafür spielen aus unserer Sicht folgende kognitive Verzerrungen eine Rolle:
- Status Quo – Bias
- Inertia Effekt
- Default-Effekt
- psychologischer Rebound-Effekt
- moralische Lizensierung
- Bandwagon-Effekt (Mitläufertum)
- Social Proof („Wenn es die anderen so machen, scheint es ja ok zu sein“)
Bias | Erklärung | Beispiel | Kontra-Strategie |
Status Quo – Bias | Angst vor Veränderung, Unsicherheit, „Alles soll bleiben, wie es ist“ | Oma bleibt beim gewohnten Telefon-Vertrag, obwohl er offensichtlich überteuert ist. | Szenario-Analyse pro/kontra – kosten / Chancen / Risiken |
Inertia Effekt | Trägheit / Taubheit gegenüber Veränderung | „Ich weißt, es ist falsch, aber es ist nunmal so wie es ist“ | Wachruf: Aktivierung, Konfrontation, Provokation, Paradoxe Intervention |
Default-Effekt | Standard-Option wird nicht verändert (Trägheit, selektive Wahrnehmung, Übersehen, Ignoranz, Unwissenheit) | nicht-Bio / nicht-vegetarisch ist in vielen Kantinen die Standard-Option, Organspende Opt-In oder Opt-Out? Konventionen sind durch Autoritäten gegeben und werden nicht in Frage gestellt | Kreativität –> neue Optionen entwickeln, Szenario-Analyse |
moralische Lizensierung | beschreibt das psychologische Phänomen, dass Menschen ohne Schuldgefühle eine schlechte Tat vollbringen können, wenn sie zuvor eine gute Tat getan haben. | „Ich darf ich mal wieder Fliegen, ich habe ja gestern Bio eingekauft“ | Gesamt-Bilanz, ab jetzt, Zukunftsstrategie… Anfangsgeist, Zukunft reverse engineering |
psychologischer Rebound-Effekt | Relative Senkung der Kosten führt zur absoluten Erhöhung des Konsums und damit evtl. zu gleichen oder höheren Kosten | Strom günstiger —> höherer Verbrauch Umstellung auf Elektromobilität –> höherer Konsum durch gesunkene finanz. / ökologische km-Kosten | Gesamt-Bilanz, ab jetzt, Zukunftsstrategie… Anfangsgeist, Zukunft reverse engineering |
Bandwagon-Effekt / Mitläufer | Die Herde folgt einem Leittier, das Individuum folgt der Herde und stellt das Verhalten nicht in Frage. | Die deutschen, die den Nazis folgen; pubertierende Gruppen | Konfrontation, paradoxe Intervention,Routinen unterbrechen |
Social Proof | moralische Rechtfertigung, „das machen ja alle so“ | Rechtfertigung von Flugreisen, da es ja alle machen. | Kant’s kategorischer Imperativ – Systemisches Denken |
Integration und Auflösung von kognitiven Verzerrungen
Kognitive Verzerrungen sind natürliche Phänomene basierend auf den Instinkten, sozialen Konventionen und animalischen Bedürfnisse menschlicher Organismen.
Eine Integration in die bewusste Entscheidungsfindung damit Auflösung der kognitiven Verzerrungen kann geschehen durch:
- Aufklärung über das Vorhandensein und die Wirkungsweise von kognitiven Verzerrungen
- Schulung von kritischem Denken und systemischen Denken
- Nutzen von kognitiven Verzerrungen für wünschenswertes Verhalten, siehe Nudging
- Unterstützung von Entscheidern in Politik und Wirtschaft durch Szenarienanalysen über die Gestaltung von Anreizen und Fällung von Entscheidungen angesichts von kognitiven Verzerrungen und der Lücke von Gedanken, Worten und Handeln
Warum gibt es kognitive Verzerrungen?
- Wir wissen nicht, was wir nicht wissen. Durch einen Mangel an Informationen und Heuristiken können höchstens zufällig effektive Entscheidungen getroffen werden.
- Kognitive Überlastung – „7 Chunks of Information +- 2“ heißt die Faustregel der menschlichen Infromationsverarbeitung. Wird das Maß an 7 Informationen im Arbeitsgedächtnis überschritten, kommt es zu Kurzschlüssen und überlasteten Entscheidungen.
- Decision Fatigue – Überforderung und begrenzte Kapazität für Entscheidungen. Werden viele Entscheidungen getroffen, ermüdet die Wahrnehmung und macht systematisch mehr Fehler (beispiel Flugzeug-Piloten).
- Soziale Zwänge, Normen können stärker sein als rationaler Verstand (social proof, group think, Mitläufertum).
…mehr dazu im
- Hautpartikel über kognitive Verzerrungen und unter
- Knowing-Doing-Gap: 7 Wege aus der Scheinheiligkeit
Quellen: