Was ist wirklich wichtig im Coaching? Dafür gibt es eine relativ geringe quantitative Datenlage. Mit Hilfe einer KI-Meta-Analyse und durch Orientierung an der Psychotherapie-Forschung und konnte ich ein Ranking von Wirkungsfaktoren im Coaching mit Effektstärken erstellen.
Die Ergebnisse zeigen mit konkreten Zahlen, dass es sich lohnt, den Fokus im Coaching auf die zwischenmenschliche Beziehung und die individuellen Fähigkeiten des Klienten zu legen, um nachhaltige und positive Erfolge zu erzielen. Und sie zeigen, dass viele äußerliche Faktoren, wie die Sitzungsdauer oder Zertifikate einen vernachlässigbaren Einfluss haben.
Tabelle der Wirkungsfaktoren im Coaching mit geschätzten Effektstärken
Hier ist eine Übersicht von Wirkungsfaktoren im Coaching:
Faktoren | Effektstärke (Cohen’s d) | Beschreibung |
---|---|---|
Coach-Klient-Beziehung | 0.75 [1] | Klarheit, Empathie und Authentizität zwischen Coach und Klient. |
Zielklarheit | 0.7 | Beidseitiges Verständnis, woran und wohin gearbeitet wird |
Ressourcen-Aktivierung | 0.6 | Identifikation und Nutzung der Stärken und Fähigkeiten des Klienten. |
Methoden und Techniken | 0.5 | Einsatz geeigneter und individuell angepasster Methoden und Techniken. |
Klienten-Motivation | 0.5 | Engagement und Bereitschaft des Klienten zur Veränderung. |
Setting | 0.35 | Konsistenz, Struktur und eine angenehme Umgebung. |
Feedback und Reflexion | 0.35 | Regelmäßiges Feedback und Förderung der Selbstreflexion des Klienten. |
Irrelevante Faktoren | ||
Technologische Tools | 0.1 | Verwendung von speziellen Apps, Gadgets oder technologischem Equipment. |
Unpersönliche Massenprogramme | 0.1 | Standardisierte, unpersönliche Coaching-Programme ohne Anpassung an individuelle Bedürfnisse. |
Status und Prestige des Coaches | 0.1 | Der gesellschaftliche Status oder Bekanntheit des Coaches. |
Zertifikate und Mitgliedschaften | 0.1 | Anzahl und Art von Zertifikaten oder Mitgliedschaften in Coaching-Verbänden. |
Dominante theoretische Modelle | 0.1 | Fokussierung auf ein einziges theoretisches Modell mit geringer Flexibilität, zum Beispiel „Coaching-Schule XY“ oder „Gestalttherapie“ oder „Tradition nach XY“. |
Externe Rahmenbedingungen | 0.1 | Besondere Raumgestaltung oder Locations für Coaching-Sitzungen. |
Coaching-Dauer | 0.15 | Länge der Coaching-Sitzungen oder -Programme ohne spezifischen Fokus auf die Qualität der Interaktion. |
Erklärung der Werte
Die angegebenen Effektstärken basieren auf einer Kombination aus direkten Angaben in den Quellen und der Interpretation unterschiedlicher Studienergebnisse durch mich und die KI. Die konkretesten Werte zur Orientierung ergeben sich aus der Psychothrapie-Forschung in der Meta-Analyse von Bruce Wambold. Die Schätzungen für die Effektstärken können damit nicht als robust angesehen werden und müssten durch eine ausführliche Meta-Analyse validiert werden. Mehr zum Vorgehen bei Meta-Analysen findest du z.B. bei der Hattie-Studie.
Die Effektstärke Cohen’s d ist ein Maß für die Größe eines Effekts [9] und wird verwendet, um die Unterschiedlichkeit zwischen zwei Gruppen oder Bedingungen zu quantifizieren. Sie wird mit der folgenden Formel berechnet:
𝑑 = 𝑀1−𝑀2 / SD
Stand der Forschung über Wirkungsfaktoren im Coaching
Die Forschung zeigt, dass einige Faktoren im Coaching wesentlicher für den Erfolg sind als andere. Insbesondere die therapeutische Beziehung und die Ressourcen-Aktivierung weisen hohe Effektstärken auf und sind entscheidend für den Coaching-Erfolg [1,2]. Die Beziehung als Wirkfaktor könnte weiter aufgeschlüsselt werden in
Auch maßgeschneiderte Methoden und Techniken sowie die Klienten-Motivation tragen signifikant zum Fortschritt bei [3,4]. Während die Kompetenzen des Coaches und geeignete Rahmenbedingungen unterstützend wirken, sind sie nicht so ausschlaggebend wie die Beziehung und Ressourcenaktivierung [5,6].
Technologische Hilfsmittel, der Status des Coaches und unpersönliche Massenprogramme zeigen hingegen nur geringe oder keine nachweisbare Wirkung [7,8]. Außerdem gibt es auch schädliche Faktoren, wie der Fokus auf Negatives, unethisches Verhalten des Coaches oder unrealistische Erwartungen des Klienten – mehr dazu siehe unten.
Die Studienlage für Psychotherapie ist deutlich besser als für Coaching. Da der Prozess aber äquivalent ist, bietet die Psychotherapieforschung eine starke Orientierung für die Coaching-Wirkungsfaktoren.
Für die Robustheit der Aussagen ist aber eine künftige Untermauerung durch konkrete randomisiert-kontrollierte Studien, die explizit im Coaching-Setting stattfinden, abzuwarten.
Schwelle für Effektstärken: Ab wann gelten sie als wirksam?
Die Effektstärke (Cohen’s d) gibt die Größe eines Effekts in Vielfachen der Standardabweichung an. Sie ist ein Maß dafür, wie stark ein bestimmter Einflussfaktor wirkt. In der Sozialwissenschaft wird allgemein anerkannt, dass bestimmte Schwellenwerte für Effektstärken als Richtlinie dienen, um die Wirksamkeit eines Faktors zu beurteilen. Hier sind die typischen Schwellenwerte:
- Kleine Effektstärke: d = 0.20
- Bedeutung: Eine kleine Effektstärke zeigt einen geringfügigen, aber messbaren Unterschied. Solche Effekte sind oft in großen Stichproben oder bei weniger bedeutenden Faktoren relevant.
- Beispiel: Leichte Verbesserungen durch den Einsatz zusätzlicher technologischer Tools im Coaching.
- Placebo-Effekt: fällt in diese Kategorie und hat eine Effektstärke von d = 0.2 – 0.3. Damit sollten sich die Coaching-Praktiken messen.
- Mittlere Effektstärke: d = 0.50
- Bedeutung: Eine mittlere Effektstärke zeigt einen moderaten, sichtbaren Unterschied. Diese Effekte sind deutlich genug, um in vielen praktischen Situationen von Bedeutung zu sein.
- Beispiel: Verbesserungen durch spezifische Coaching-Techniken oder Methoden.
- Große Effektstärke: d = 0.80
- Bedeutung: Eine große Effektstärke zeigt einen starken, bedeutsamen Unterschied. Solche Effekte sind in der Regel offensichtlich und haben eine hohe praktische Relevanz.
- Beispiel: Der Einfluss der therapeutischen Beziehung auf den Coaching-Erfolg.
Schädliche Faktoren im Coaching
Vertrauen kann von alleine entstehen, muss manchmal aufgebaut werden – und ist leicht zu verspielen, wie die folgenden schädlichen Faktoren im Coaching zeigen.
Schädlicher Faktor | Effektstärke | Beschreibung |
---|---|---|
Unethisches Verhalten des Coaches | -0.6 | Verletzung der Vertraulichkeit, Machtmissbrauch und unangemessenes Verhalten zerstören das Vertrauen. |
Falsche Erwartungen und Zielsetzungen | -0.4 | Unrealistische oder unklare Ziele können zu Enttäuschung und Frustration führen. |
Mangelnde Empathie und Unterstützung | -0.4 | Ein Coach ohne Empathie schafft eine negative Atmosphäre, die den Prozess behindert. |
Unstrukturierte oder inkonsistente Sitzungen | -0.3 | Mangelnde Struktur und Konsistenz führen zu Verwirrung und fehlender Kontinuität. |
Übermäßiger Fokus auf negative Aspekte | -0.3 | Ständiger Fokus auf Probleme und Schwächen kann den Klienten entmutigen und demotivieren. |
Hygiene-Faktoren
Das Setting, die Ausbildung der Coaches, die Sitzungsdauer und ein spezielles Coach-Verhalten können als Hygiene-Faktoren verstanden werden: sie fallen nicht auf, aber ihr Mangel sollte auch nicht stören. Durch exzentrisches Verhalten kann der Coach das Vertrauen riskieren, aber er kann auch nicht durch besonders vorbildliches Verhalten punkten. Das Setting wirkt nicht, aber es sollte auch nicht ablenken. Die Dauer sollte eben funktional sein, genau wie die Kompetenz des Coaches, durch die er nicht zu beeindrucken braucht.
Literaturverweise
- Wampold, B. E. (2015). „How important are the common factors in psychotherapy? An update.“
- De Haan, E., Culpin, V., & Curd, J. (2011). „Executive coaching in practice: What determines helpfulness for clients of coaching?“
- Theeboom, T., Beersma, B., & Van Vianen, A. E. (2014). „Does coaching work? A meta-analysis on the effects of coaching on individual level outcomes in an organizational context.“
- Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2008). „Self-determination theory: A macrotheory of human motivation, development, and health.“
- De Haan, E., Duckworth, A., Birch, D., & Jones, C. (2016). „Executive coaching outcome research: The predictive value of common factors such as relationship, personality match, and self-efficacy.“
- Kampa-Kokesch, S., & Anderson, M. Z. (2001). „Executive coaching: A comprehensive review of the literature.“
- Grant, A. M., & Cavanagh, M. J. (2010). „The goal-focused coaching skills questionnaire: Preliminary findings.“
- Baron, L., & Morin, L. (2009). „The coach-coachee relationship in executive coaching: A field study.“
- Cohen, J. (1988). „Statistical Power Analysis for the Behavioral Sciences.“ (2nd ed.). Lawrence Erlbaum Associates.
Siehe auch:
Wirkt Coaching? Das sagt die Wissenschaft zur Wirksamkeit
ein früherer Artikel, für dessen Erstellung in 2020 noch keine KI-Meta-Analyse möglich gewesen ist.