[Methode] Visionspyramide: 4 Ebenen eines klaren menschlichen Systems

Die Visionspyramide bildet den Querschnitt durch die Informationsarchitektur eines menschlichen Systems: Menschen, Teams, Organisationen. Sie richtet einen Blick auf die positiven Ressourcen des menschlichen Systems. Die vier Ebenen sind: Vision, Mindset, Kompetenzen, Rituale. Im besten Fall sind diese Ebenen kohärent und unterstützen sich gegenseitig.

Die Vision ist das Ziel auf der Landkarte,
die Werte sind der Kompass,
die Kompetenz ist das Ruder,
die Rituale rudern zum Ziel.

 

Klarheit schaffen für ein menschliches System

Folgende Ebenen spielen meist eine Rolle für die persönliche und soziale Entwicklung:

  • konkrete Verhaltensweisen
  • Rituale, Prozesse & Gewohnheiten (Ruderkraft)
  • Kompetenzen & Ressourcen (Ruder)
  • Prinzipien, Regeln
  • Werte, Haltung, Mindset (Kompass)
  • Selbstbild, Identität, Mission
  • langfristige Vision (Ziel auf der Landkarte)

Im Idealfall sind all diese Ebenen kohärent: sie erfüllen sich gegenseitig. Die Vision inspiriert alle Personen, ihr bestes zu geben, sich an Erfolgs-Prinzipien und sinnvolle Regeln zu halten. Durch gemeinsame Rituale und klare Prozesse schleifen sich die nötigen Verhaltensweisen dafür ein und die Menschen kultivieren die wichtigsten Kompetenzen.

Einen empirischen Indiz für die Nützlichkeit des Modells bietet die Bildungsforschung: die Klarheit einer Lehrperson und des Unterrichtskonzepts hat einen großen positiven Effekt auf den Lernerfolg der Lernenden [2]. Übertragen auf den Kontext Organisationsentwicklung: viele Stakeholder sollen lernen, möglichst gut im Sinne der Organisation zu handeln und können dieses umso leichter erbringen, wenn sie ein klares Kommunikations-Konzept erfahren.

 

Visionspyramide für Organisationen & Existenzgründungen

Besonders wertvoll ist die Visionspyramide, um auf das Informations-System einer Organisation oder eines Unternehmens zu schauen. Sie fasst die wichtigsten Informations-Ebenen in einem überschaubaren und logischen Schema zusammen.

Visionspyramide - Organisationsdesign - Design Thinking - Organisationsentwicklung - Persönlichkeitsentwicklung

Im besten Fall sind Vision & Kultur klar ausgedrückt in dem alltäglichen Verhalten und in den Prozessen der Organisation. Kunden mit einem Anliegen finden durch den Kontakt mit der Organisation Klarheit bzw. eine Lösung für ihr Problem. Das Produkt oder die Dienstleistung drückt sich durch die wichtigsten Aktivitäten & Rituale aus. Die Kompetenzen aller Personen dienen dazu, möglichst viel Wert in der User Journey zu vermitteln und die langfristige Vision zu erfüllen. Auf dem Weg dahin bietet die Kultur mit den Werten und Prinzipien der Organisation Orientierung.

Die Vision ist das Ziel auf der Landkarte,
das Mindset ist der Kompass,
die Kompetenz ist das Ruder,
die Rituale rudern zum Ziel.

Wenn diese Pyramide klar ist, lässt sich die Organisation auch gut skalieren und kann langfristig erfolgreich werden.
>> mehr zur Skalierung
>> mehr zu Organisationsdesign

 

Die persönliche Visionspyramide

Doch auch du selbst bist ein menschliches System mit einem so komplexen Gehirn, dass all die Meta-Ebenen für dein individuelles Leben und Arbeiten relevant sind. Wenn du vor einer Herausforderung stehst, vor einem Traum, vor einem Problem, kannst du alle Ebenen von den geplanten Verhaltensweisen bis zum Selbstbild und der Vision für dich persönlich definieren, um eine möglichst klare innere Ausrichtung zu bekommen.

Video-Beispiel für die Erarbeitung einer persönlichen Visionspyramide

In dem Video helfe ich Natalia, aus Ideen ihre Visionspyramide zu entwickeln. Die Ideen wurden mit Hilfe einer WM-Frage und 3×3 Brainstorming entwickelt für die Verwirklichung ihres Purpose (Ikigai). Dies kannst du genauer verfolgen im Online-Kurs Creative Self.

>>Im Online-Kurs Creative Self kannst du Schritt für Schritt deine persönliche Visionspyramide entwickeln.

 

Erklärung: Darum hilft die Visionspyramide 

Ich sehe 4 Wirkmechanismen der Visionspyramide:

  1. Selbsterfüllende Prophezeiung (Law of Attraction)
  2. Konditionierung
  3. Berücksichtigung der Millerschen Zahl (Begrenzung des Arbeitsgedächtnisses)

Selbsterfüllende Prophezeiung

Mit Hilfe eines klaren positiven Bildes der idealen Zukunft prägen wir unsere Wahrnehmung und künftiges Verhalten. Wir ermöglichen damit eine selbsterfüllende Prophezeiung (mehr dazu).

Konditionierung

Die Ritual-Ebene soll sicherstellen, dass wir tatsächlich umsetzbare Schritte gehen und nicht nur darüber nachdenken oder reden. Rituale sind nichts einmaliges, sondern werden immer wieder getätigt. Dadurch entsteht eine Gewöhnung an die sinnvolle Verhaltensweise – eine Konditionierung des Positiven
… mehr zu Konditionierung.

Millersche Zahl

Bottleneck: Unsere bewusste Aufmerksamkeit hält 7 Informationseinheiten (chunks of information) gleichzeitig aus [1], alles darüber hinaus wird ausgeblendet, ans Unbewusste verwiesen, und erzeugt im schlechtesten Fall Überforderung oder Verwirrung. Wir sollten Klarheit schaffen, wo immer es geht, um das meiste aus unserer Lebensenergie zu machen, und auch um anderen Menschen zu helfen, gut mit uns umzugehen und uns das zu geben, was wir brauchen. 7 Informationen – gibt es Wiedersprüche innerhalb dieser 7 Informations-Chunks, kommt es zu einer kognitiven Dissonanz, etwas stimmt nicht, unser Nervensystem sucht nach Auflösung… neue Gedanken und Emotionen kommen hinzu, und die eigentlich wichtigen sind vielleicht schon längst wieder aus dem Fokus geraten. Was war noch einmal wichtig? Nun hilft die Pyramide:

Die Vision ist das Ziel auf der Landkarte,
das Mindset ist der Kompass,
die Kompetenz ist das Ruder,
die Rituale rudern zum Ziel.

Da eine Vision die abstrakteste, langfristigste Ressource ist, nach dem sich im Idealfall alle anderen Ressourcen unterordnen, heißt dieses Modell Visionspyramide.

In kurz: Die Visionspyramide schafft Ordnung in deiner inneren Ausrichtung.

 

Verwandt: Meta-Ebenen der Sprache

Eine ähnliche Pyramide findet man bei Robert Dilts als logische Ebenen der Sprache, meistens bezogen auf den Menschen als Individuum. Wir interessieren uns hier mehr für den Querschnitt einer Organisation. Dieses wiederum beruht auf NLP und der Analyse der Arbeit von Milton Erickson, der Urvater der modernen Hypnose und des NLP. Darin steigern sich die Ebenen der Pyramide von konkret, unten, nach abstrakt, oben. Die oberen Ebenen regieren dabei die unteren Ebenen mit, organisieren sie von einer höheren Ordnung aus.

 

Persönliche Anekdote zur Entstehung der Visionspyramide 

Ich saß in den Tessiner Bergen und versuchte Ordnung in alle meine Projekte und Beratungsprozesse zu bringen und sie hierarchisch zu sortieren: Auf welcher Ordnungs-Ebene einer Organisation arbeite ich jeweils? Das Ergebnis war eine ca. 10-stufige Pyramide. Ich nannte sie dann die Visionspyramide. Neben mir saß eine erfahrene Schulentwicklerin und rief freudig: „Oh, du arbeitest mit den logischen Ebenen nach Dilts!“ und ich sagte, „Hä?“… und so erfuhr ich, dass mein Konzept Sinn macht und schon vor vielen Jahren von Robert Dilts sehr ähnlich und erfolgreich definiert wurde. Hier ein Foto von dem schönen Ausflug mit der Lernkulturzeit:

Vision, Berge, Retreat, Reise, Seminar, Coaching

 

 

Quellen:

[1] George A. Miller: The Magical Number Seven, Plus or Minus Two: Some Limits on Our Capacity for Processing Information. The Psychological Review, Nr. 63, 1956, S. 81–97, doi:10.1037/h0043158

…übrigens einer der meistzitierten Artikel der Psychologie.

[2] Hattie, John A. C. (2015): Lernen sichtbar machen. Überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von “Visible learning”, besorgt von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer (3. Aufl.). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.