Die Kraft der Konditionierung

Definition Konditionierung: Unter Konditionierung versteht man eine Lerntheorie auf Basis eines Reiz-Reaktions-Modells. Je nach Art der Konditionierung, geht es darum durch positive oder negative Reize und dem verbundenen Lernprozess Verhaltensweisen zu beeinflussen. Konditionierung kann bei fast allen Tierarten beobachtet werden und zeugen von der Fähigkeit sich an die Umwelt anzupassen.

Arten der Konditionierung:

1. Klassisch:

Iwan P. Pawlow begründete die klassische Konditionierung, er bewies, dass angeborene Verhaltensweisen, wie Instinkte oder Reflexe, durch Lernen mit Reizen beeinflusst werden können.
In seinem Experiment an Hunden wurde den Tieren Futter gegeben, gleichzeitig erklang ein Glockenton. Bereits nach einigen Wiederholungen genügte der Glockenton, um bei den Hunden die Speichelproduktion auszulösen. Man spricht von einem bedingten und unbedingten Reiz

2. Instrumentell:

Die Edward Lee Thorndike erforschte die instrumentelle Konditionierung, bei der beobachtete, wie lange Tiere in Käfigen zur Selbstbefreiung brauchten, wenn positive Außenreize vorhanden waren (Belohnung durch Futter).
Benannt ist diese Form der Konditionierung nach dem instrumentellen Verhalten. Das Tier benutzt ein Verhalten um ein bestimmtes Resultat zu erreichen, es ist beabsichtigt und zweckgebunden.

3. Operant:

Im Gegensatz zur instrumentellen Konditionierung liegt hier das Augenmerk auf willkürlichen, unbeabsichtigten oder spontanen Verhaltensweisen, ohne dass eine Aufgabe oder ein Problem vorhanden sein muss.

Konditionierung in der Verhaltenstherapie

Alle Formen der Konditionierung bilden die Grundlage des Behaviorismus. Dieser Gegenstand der Psychologie erforscht das Verhalten von Mensch und Tier auf wissenschaftlicher Ebene.
Darauf aufbauend ist die behaviorale Therapie (Verhaltenstherapie), sie macht sich die Konditionierung zu Nutze, indem negative Erfahrungen und Verhaltensweisen durch Lernen neuer Strategien aufgebrochen oder ersetzt werden. Vor allem bei Angst- und Zwangsstörungen, Substanzabhängigkeit, affektive und Persönlichkeitsstörungen findet diese Therapie Verwendung.
Hier eine Auswahl an Vorgehensweisen:

Klassisch

Systematische Desensibilisierung: stufenweise Reiz-Konfrontation gefolgt von Entspannung
„Flooding“: plötzliche Reizüberflutung, ohne Abstufung
Aversionstherapie: Kopplung von unerwünschten Verhaltensweisen mit positiven Reizen
Gegenkonditionierung: Vermindern von Problemverhalten durch Nichtbestätigung bei gleichzeitiger positiver Verstärkung des angestrebten Verhaltens.

Operant/Instrumentell

Biofeedback: Darstellung körpereigener Vorgänge durch technische Hilfsmittel
Kontingenzverträge: Feste Abmachungen und Bedingungen zwischen zwei sich vertrauenden Parteien, schriftliche Dokumentation
Social skills training: Gezielte Arbeit an sozialen Kompetenzen, meist in Gruppen.
Time-Out: Kurzfristige Isolation nach unerwünschtem Verhalten, um eigenes Verhalten zu reflektieren.

Konditionierung und Lerneffekte

Ein erlerntes Verhalten auch nicht mehr gezeigt werden, wenn zu oft der gekoppelte Reiz ausbleibt (z.B kein Futter bei Glocke). In diesem Fall spricht man von Extinktion. Dabei wurde das Gelernte keinesfalls vergessen, sondern nur durch neues Lernen „überschrieben“.

Sind Verhaltensweisen einmal erlernt, kommt es vor, dass das Gehirn ähnliche Reize in dieselbe Schublade steckt, ähnliche Töne können demnach die gleiche Reaktion auslösen. Dabei handelt es sich um Reiz-Generalisierung und hat evolutionstechnisch durchaus Nutzen („es klingt ähnlich wie ein Bär, ich sollte wegrennen“), je ähnlicher der Reiz, umso so stärker fällt die Verhaltenskonsequenz aus.
Der Gegensatz dazu ist die Reiz-Diskriminierung. In diesem Fall werden ähnliche Reize sehr differenziert wahrgenommen, durch Diskriminationslernen können Kinder beispielweise unterscheiden, ob es ihr Vater ist der ruft, oder lediglich ein anderer Mann.

Gewohnheiten verstehen und bessere schaffen durch Konditionierung

James Clear hat das sehr erfolgreiche Buch „Atomic Habits“ veröffentlicht, in welchem er genau beschreibt, wie eine Gewohnheit funktioniert. Wenn wir verstehen, wie sie funktionieren, können wir lernen, bessere Gewohnheiten zu implementieren.

GewohnheitszirkelBeispielBeispielWie man eine gute Gewohnheit erzeugt.
Zeichen (Cue)Das Telefon vibriert.Ich wache auf.Mach es offensichtlich.
Verlangen (Craving)Ich möchte wissen, was los ist.Ich möchte munter werden.Mach es attraktiv.
Reaktion (Response)Ich greife danach.Ich mache mir einen Kaffee.Mach es einfach.
Belohnung (Reward)Ich lese die Nachricht. Das Vibrieren des Telefons wird immer mehr mit dem Greifen danach assoziiert.Ich fühle mich munterer. Aufwachen wird daher immer mehr mit Kaffee machen assoziiert.Mach es befriedigend.

Warum schaffen wir es nicht gute Vorsätze einzuhalten? Entweder weil die Zeichen unsichtbar sind, weil der erwartete Output unattraktiv ist, weil der Vorsatz zu kompliziert und weil es letztlich unbefriedigend ist. Beispiel: Ich möchte fitter werden und habe mir deswegen vorgenommen joggen zu gehen.

Dann muss ich 1. ein eindeutiges Signal schaffen, so kann ich z.B. direkt nach dem Aufwachen in meine Trainingsklamotten steigen und damit die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöhen, dass ich  wirklich joggen gehe. Ich muss 2. das Ziel attraktiv machen, was z.B. durch Imagination möglich ist: Ich kann mir vorstellen, wie ich mich gesund, glücklich und voller Leben fühle. 3. sollte die Reaktion einfach und machbar sein. Es nützt nichts, sich eine Stunde Joggen vorzunehmen, wenn man sich dadurch demotiviert fühlt. 5-20 Minuten können für den Anfang schon ausreichen. Und nicht zuletzt kann man sich 4. danach ruhig etwas gönnen und sich bewusst entspannen.

…mehr dazu: Wie du gute Vorsätze einhalten kannst – 3 Ansätze aus der Psychologie.

Erziehung – Konditioniert fürs Leben

Die Konditionierung ist im Alltag allgegenwärtig, bewusst und unbewusst nutzt sie der Mensch um bestimmte Ziele zu erreichen, Aufgaben zu lösen und Probleme zu vereinfachen und ist maßgeblich an der Persönlichkeitsentwicklung beteiligt.
Bereits Kinder nutzten die Methoden des Chaining und Shaping. Dabei werden komplexe Abläufe gelernt, in dem sie zuerst in einfachere Teilschritte zerlegt und einzeln geübt werden, wie das Schreiben von Buchstaben oder das Erlernen eines Tanzes.
Auch Gewohnheiten sind nichts anderes als Konditionierung.
Der Großteil von dem, was ein Mensch im Laufe seines Lebens lernt, ist unbewusst.
Zum Beispiel Schlafgewohnheiten. Wenn der Wecker jahrelang um die gleiche Uhrzeit klingelt, wacht eine Person auch ohne Wecker genau zu dem Zeitpunkt auf, mit dem zu Bett gehen ist es dasselbe, nur anders herum.

 

Konditionierung nutzen und gestalten: Der Schlüssel zum Erfolg

Verhaltenstherapie findet nicht nur beim Psychologen statt. Kindererziehung ist nichts anderes als das Bestätigen und Verstärken von erwünschtem Verhalten („Wie schön du dein Fahrrad geputzt hast“), das Verhängen von Time-Outs („Du gehst jetzt auf dein Zimmer!“), Überredungskunst mit Hilfe von Gegenkonditionierung („wenn du ab jetzt eine halbe Stunde am Tag für die Schule lernst, darfst du länger aufbleiben“).

Das Gelingen von Diäten, Sportplänen, Raucherentwöhnung und Ähnlichem hängt in großem Maße davon ab, wie gut ein Mensch sich selber konditionieren kann. Ein Mann der morgens zum Kaffee immer eine Zigarette raucht, wird es schwer haben, den Kaffee ohne Zigarette zu trinken.

Beispiel Selbstkonditionierung: Ich habe mir das Lippenkauen abgewöhnt, indem ich immer, wenn ich mich dabei ertappt habe, 10 Liegestütze gemacht habe. Außerdem habe ich mit Entpsannungsübungen, vor allem Autogenem Training, einen positiven entspannten Zustand verinnerlicht, indem ich sehr glücklich mit entspannten Zungen- und Mundmuskeln war.
So ähnlich habe ich mir auch das Rauchen abgewöhnt.

Gleichzeitig sind das Beobachten und Erkennen der eigenen Verhaltensmuster den Schlüssel zum Erfolg. Wer weiß, welche Reize und Reaktionen miteinander verbunden sind, kann Einfluss darauf nehmen und sein Leben selbst bestimmen.

Arbeitsblatt für Selbstkonditionierung: Verhaltensformung für neue Gewohnheiten

Verhaltenstherapie - Konditionierung - Shaping - Verhaltensformung - Behavioural Design (1)

Konditionierung und Verhaltensformung sind sehr mächtige Werkzeuge für Therapie und Coaching.

Für dich persönlich, auf dem individuellen Level: Selbstcoaching, Autogenes Training und Selbsthypnose sind wertvolle Ansätze, aber erst gepaart mit Verhaltensänderungen ergibt sich der gewünschte Erfolg. Im Online-Kurs „Creative Self“ kannst du für dich eine neue Lebensphase skizzieren – und mit Selbstkonditionierung Wirklichkeit werden lassen.

Für dein Unternehmen, deine Familie oder Gemeinschaft, auf dem Kollektiven Level: mit der Visionspyramide und OKRs kannst du die gewünschte Zukunft skizzieren, mit Verhaltensformung und Behavioral Design, z.B. durch Nudging und Design Thinking kannst du die Mitglieder deiner Community dazu bringen, das dafür nötige Verhalten anzuwenden. Im Online-Kurs »Purpose Organisations« führen wir dich Schritt-für-Schritt durch die dafür gewünschte Organisationsentwicklung.

 

Quellen:

M. E. Bouton: Learning and behavior: A contemporary synthesis. Sinauer Associates, Sunderland, MA 2007.

Die Mechanismen der Konditionierung wurden vor allem von Pawlow an Hunden gezeigt, der Hunde darauf konditionierte, beim Glockenläuten Speichel fließen zu lassen, nachdem er zuvor das Glockenläuten mit Zitronensaft assoziierte für den Hund.

https://de.wikipedia.org/wiki/Pawlowscher_Hund

Eric Kandel bekam einen Nobelpreis, nachdem er an dem „Seehasen“ Aplysia die neuronalen Mechanismen der Konditionierung zeigte. Aplysia hat die größten beobachtbaren Nervenzellen, die sogar mit bloßem Auge sichtbar sind. Durch die Belohnung wurden neuronale Verknüpfungen verstärkt bzw. neu geknüpft. Das grundlegende Prinzip heißt „what fires together wires together“.

https://de.wikipedia.org/wiki/Aplysia


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