Der ökonomische Nutzen misst die Erfüllung von Bedürfnissen. Dieser Nutzen kann erhoben werden für individuelle Menschen wie dich und mich, aber auch für Teams, Unternehmen oder ganze Gesellschaften. Typischer Weise wird der Nutzen von bestimmten Produkten oder Entscheidungsoptionen miteinander verglichen: so ist zum Beispiel für ein Kind der Nutzen von einer Kugel Eiscreme höher als von einem Bausparvertrag in Höhe von 1 Million Euro, während es für eine 35-jährige Familienmutter andersherum ist.
Die erste Kugel Eis ist für das Kind am nützlichsten, die zweite Kugel vielleicht noch ähnlich hoch – aber die vierte oder fünfte Kugel hat einen deutlich geringeren Nutzen. Dies könnte mit größer- / kleiner-Zeichen so verglichen werden:
U1 > U2 > U3 > U4
Das U steht für die englische Bezeichnung utility.
Man kann sich den ökonomischen Nutzen vorstellen als…
- eine Glücks-Währung, mit der man Erfahrungen oder Produkte bewertet. Jeder Kauf oder jede Handlung kostet uns „Glücksmünzen“, aber bringt gleichzeitig neue Münzen zurück.
- ein Thermometer der Zufriedenheit, dessen Temperatur steigt, wenn unsere Wünsche erfüllt werden, und fällt, wenn wir enttäuscht sind.
Ökonomischer Nutzen im Kontext von Personalentwicklung
Der ökonomische Nutzen ist deswegen für uns hier interessant, da er die Arbeit mit Bedürfnissen professionalisiert und quantifiziert. Im Rahmen unserer Arbeit der Personal- und Organisationsentwicklung spielen eine Bedürfnisse bei folgenden Modellen und Methoden ebenfalls eine zentrale Rolle:
- Design Thinking erfindet neue Ideen und Lösungen für noch nicht erfüllte Bedürfnisse der Zielgruppe („Nutzer“) auf.
- Gewaltfreie Kommunikation lehrt eine offene Kommunikation über die eigenen Bedürfnisse und ggf. deren Verletzung, und trennt Bedürfnisse dabei von Wünschen und Strategien. Strategien als Entscheidungsoptionen begriffen werden, deren Nutzen subjektiv bewertet wird.
- Allgemein betrachtet die Psychologie, z.B. die Verhaltens- oder Tiefenpsychologie Bedürfnisse als Quelle des menschlichen Verhaltens.
- Gamification als Spezialgebiet der Verhaltenspsychologie interessiert sich für Spielbedürfnisse bzw. Spiel-Antriebe, zum Beispiel innerhalb der Selbstbestimmungstheorie oder des Octalysis-Frameworks.
- Die Produktivität misst wiederum den Nutzen der Mitarbeiter im aktuellen Setting für die Organisation.
Bedürfnisgläser
Eine populäre Analogie im Kontext von GFK sind die Bedürfnisgläser, welche abbilden, wie erfüllt bestimmte Bedürfnisse aktuell sind. Diese Gläser können als Modell für die allgemeine Nutzen-Funktion verstanden werden.
Strategisches Denken mit dem ökonomischen Nutzen
Die ökonomische Theorie fantasiert von einem homo oeconomicus, welches stets rationale Entscheidungen trifft, sprich: seinen individuellen Nutzen maximiert. Das ist selten der Fall, da Menschen sozialen Kräften und kognitiven Verzerrungen unterliegen. Wir treffen oft emotionale, impulsive Entscheidungen, die darauf ausgerichtet sind, kurzfristige Lust zu befriedigen oder sich sozial angepasst zu verhalten.
Allerdings gibt es Kontexte, in denen Menschen sich größtmögliche Mühe geben, ihren Nutzen zu maximieren durch strategische Abwägungen:
- Logik- & Strategie-Spiele wie Schach (hoher Nutzen = gute Stellung bzw. Chance auf Gewinn durch Schachmatt)
- Unternehmensstrategie, Business Intelligence
- Wertpapier-Handel
- Militärische Kriegsführung
In solchen rationalen Domänen erwarten Menschen, dass sich ein hoher analytischer Aufwand lohnt, um einen hohen Vorteil (Nutzen) daraus zu erhalten.
Bedürfnis-Konflikte
Menschliche Systeme sind komplex, daher gibt es oft Situationen, in denen die offensichtlichen Entscheidungsoptionen Konflikte produzieren:
Äußere Konflikte zwischen Menschen
Die billigste Wurst im Kühlregal mag zwar ein hohes Preis-Leistungs-Verhältnis haben, aber auch einen nicht-sichtbaren Preis für die Umwelt. Während es per Definition für das Individuum oder eine Organisation gut ist, ihren Nutzen zu maximieren, kann es sein, entstehen durch manche Entscheidungen Schäden für andere Menschen oder die Umwelt. Dies bringt dann Kosten für die anderen Personen, bzw. für die ganze Gesellschaft mit sich. Da sie in dem individuellen Nutzen-Modell nicht auftauchen, spricht man von externen Kosten. Man könnte auch von Egoismus reden, welcher aber durch die Brille des homo oeconomicus etwas irrelevantes ist.
Innere Konflikte innerhalb einer Person
Es kann auch zu inneren Konflikten kommen, wenn die verfügbaren Entscheidungsoptionen nur partiell den Nutzen mehren, aber auch Schaden zufügen, bzw. anderen Optionen und Nutzen-Chancen blockieren. Zum Beispiel wenn ich mich zwischen 2 Jobs entscheiden muss. Dann hilft das Modell des inneren Teams, um die konkurrierenden Bedürfnisse als unterschiedliche innere Anteile sichtbar zu machen.
Diese Werte-Konflikte werden zum Beispiel im Spiral Dynamics – Modell für Werteentwicklung sichtbar.
Weiterführende nützliche Texte
- 🧩 Strategien zur Bedürfnisbefriedigung entwickeln mit Coachingmethoden
→ Systemische Fragetechniken
→ Coaching Methoden im Überblick - 🔄 Wertekonflikte verstehen mit Spiral Dynamics
→ Werteentwicklung & Entwicklungsstufen - 🎮 Durch Kreativität neuen Nutzen schaffen
→ Kreativitätstechniken - 🤯 Konflikte zwischen inneren Bedürfnissen moderieren mit dem Inneren Team→ Inneres Team aufstellen & nutzen
- 🧭 Schnelle & adaptive Entscheidungen treffen mit dem OODA-Loop
→ OODA-Loop: Orientierung im Entscheidungschaos