[Anleitung] Storytelling: 10 Schritte der Heldenreise

Ohne Geschichten gäbe es uns nicht: Dass wir Menschen als Affenhorden in Frieden zusammenleben können, basiert auf den Weisheiten, die wir in Geschichten verpacken, um uns zu Entspannung, Nächstenliebe und sozialem Engagement einzulullen. Darauf basieren unsere Religionen, Social Media und der Erfolg vieler Marketing-Kampagnen.

Geschichten können auch einfach schön sein – aber normaler Weise sind sie besonders schön, wenn sie ein paar wichtige Lebenslektionen verpacken in kantige Charaktere, überraschende Wendungen und schöne Bilder. Erinnere dich: In deiner Kindheit, was waren deine liebsten Geschichten? – und was genau daran?

In diesem Artikel sammle ich Methoden und Modelle rund um Storytelling: Archetypen für Charaktere, das Schema der Heldenreise als Blaupause für episches Storytelling, daneben aber auch weitere Basic Plots (archetypische Storytelling-Schemata) und Rezept-Sammlungen für gute Geschichten.

12 Archetypen nach Jung als Charakter-Inspiration

Carl Gustav Jung entwickelte das Konzept der 12 Archetypen basierend auf seiner langjährigen Erfahrung in der Psychiatrie. Jungs Begegnungen mit Patienten, die ähnliche Träume und Mythen teilten, unabhängig von ihrer kulturellen Herkunft, führten ihn zu der Idee universeller, angeborener psychischer Muster. Jungs umfangreiche Kenntnisse in Mythologie, Religion und Philosophie trugen ebenfalls zu dieser Theorie bei.

Die 12 Archetypen sind:

  1. Der Weise
  2. Der Unschuldige
  3. Der Entdecker
  4. Der Herrscher
  5. Der Schöpfer
  6. Der Fürsorgliche
  7. Der Magier
  8. Der Held
  9. Der Rebell
  10. Der Liebende
  11. Der Narr
  12. Der Jedermann

Dass diese Archetypen immer wieder auftreten in menschlichen Träumen und Geschichten, deutet darauf hin, dass sie anthropologisch hard-coded sind und es eine neurobiologische Grundlage im Homo Sapiens und seiner Entstehung gibt. Meine Hypothese: Sie entstehen als Superposition aus zentralen neurologischen Prozessen und Rollen in sozialen Gemeinschaften.

 

Heldenreise Storytelling: Ablauf nach Joseph Campbell

Joseph Campbell reiste durch die Welt und untersuchte die Mythen unterschiedlichster Völker und Religionen. Dabei fiel ihm auf, dass bestimmte Motive und Abläufe immer wieder auftauchten. So wie die Jung’schen Archetypen (siehe unten) hatten viele mythische Geschichten archetypische Motive. Die häufigsten Motive zeigen sich in der Heldenreise, in der sich durch eine ungewöhnliche Herausforderung ein normaler Mensch über sich hinaus wachsen muss und zum Helden wird.

Heldenreise Seminar - kreativer Prozess

  1. Es war einmal… Zuhause sein in der gewohnten Welt.
    Ein stabiler Urpsrungs-Zustand.
  2. Call: Ruf zum Abenteuer, geht meist einher mit einer Destabilisierung.
  3. Schwelle: Begegnung mit dem Schwellenwächter, übertreten der Schwelle in ein neues Abenteuer in einer neuen Welt
  4. Mentor
  5. Helfer und neue Freunde
  6. Prüfungen, das heißt, Konfrontation mit äußeren und inneren Herausforderungen, oft auch genannt: der Schatten. Hier stößt der Protagonist an seine Grenzen.
  7. Neue Fähigkeiten durch Integration: Wachstumsschmerzen und Reifung, dadurch entsteht letztlich die innere Veränderung und Persönlichkeitsentwicklung
  8. Endgegner: Kampf mit dem Drachen, um den Schatz zu bergen und vielleicht die Prinzessin zu retten
  9. Schatz nach hause bringen.
  10. Rückkehr in die alten Heimat als neue, reifere Persönlichkeit. Ein neuer Gleichgewichtszustand mit stärkeren Ressourcen hat sich eingestellt.

… mehr über die Heldenreise

Vorlage: Storytelling mit der Heldenreise

Hier ein Arbeitsblatt zum Ausfüllen, um einen Prozess nach dem Schema der Heldenreise in ein rundes Storytelling zu verpacken:

Storytelling Heldenreise Arbeitsblatt Vorlage

 

 

Nützliche Ansammlungen von Storytelling-Konzepten

Hier habe ich noch ein paar Listen gesammelt an nützlichen Schemata und Konzepten, um Storytelling zu verstehen und Ansätze zu finden.

 

8 Storytelling-Ansätze

  1. Heldenreisemonomyth«, mehr dazu unten im Artikel).
  2. Dramatischer Höhepunkt: alles spitzt sich auf die Klimax zu
  3. Emotionale Achterbahn: regelmäßige, kurze, starke emotionale Ausschläge, die die Spannung der Rede erhöhen
  4. in media res: mitten in der Geschichte beginnen
  5. Verschmelzende Welten: zwei zunächst unabhängige Erzählstränge treffen sich am Ende in einer Idee,
    dialektisches Prinzip, Spiral Dynamics
  6. Fraktale: Die Geschichte in der Geschichte in der …
    Der Schimmelreiter
  7. Fehlstart: scheinbar vorhersehbare geschichte erzählen, aber sie bald gegen die Wand fahren lassen und von vorne beginnen
  8. Blütenstruktur: viele geschichten / redner immer wieder auf ein Thema zurückkommen lassen

 

7 Story-Archetypen (Seven Basic Plots)

Christopher Booker arbeitete 34 Jahre seines Lebens an seinem Buch Seven Basic Plots, in dem er die psychologische Bedeutung von Geschichten verglich, angelehnt an C. G. Jung. Darin unterschied er sieben Archetypen von Geschichten (Beispiele in Klammern):

  1. Das Monster besiegen (Stephen King’s »Es«)
  2. Vom Tellerwäscher zum Millionär (Harry Potter)
  3. Die Mission (In 80 Tagen um die Welt)
  4. Reise und Rückkehr (Herr der Ringe)
  5. Komödie (Der Widerspenstigen Zähmung // 10 Dinge, die ich an dir hasse)
  6. Tragödie (Titanic)
  7. Wiedergeburt (The Fighter)

 

Karls Storytelling Tipps

  1. Reframing ist eine Methodik, um auf unkonventionelle Ideen zu kommen.
  2. Schreibe deine Lieblingsgeschichten: Welches Buch und welche Art von Schreibstil würdest du selbst richtig gerne lesen? Schreibe selbst die Geschichten, die du gerne lesen möchtest.
  3. Finde einen sozialen Resonanzraum für deine Werke: Online-Communities, Autorenvereine, Schreib-Retreats & Seminare. Dies hilft, selbst ins Schreiben zu kommen und durch Feedback das eigene Werk weiterzuentwickeln.
  4. Modulbaukasten: Wähle für deine Charaktere passende Archetypen aus bzw. vermische sie sinnvoll.
  5. Der Online-Kurs „Creative Self“ hilft dir, deine kreative Mission zu finden und deine Vision als Storyteller zu schärfen.

 

4 Qualitäts-Kriterien für erfolgreiches Storytelling

Erfolgreiche Geschichten sind

  1. einfach gehalten und leicht nachzuerzählen, auch für Kinder,
  2. emotional, Gefühle ansprechend,
  3. authentisch erzählt,
  4. und für eine relativ breite Zielgruppe geeignet.

 

Pixar’s 22 Storytelling Prinzipien

  1. You admire a character for trying more than for their successes.
  2. You gotta keep in mind what’s interesting to you as an audience, not what’s fun to do as a writer. They can be v. different.
  3. Trying for theme is important, but you won’t see what the story is actually about til you’re at the end of it. Now rewrite.
  4. Once upon a time there was ___.
    Every day, ___.
    One day ___.
    Because of that, ___.
    Because of that, ___.
    Until finally ___.
  5. Simplify. Focus. Combine characters. Hop over detours. You’ll feel like you’re losing valuable stuff but it sets you free.
  6. What is your character good at, comfortable with? Throw the polar opposite at them. Challenge them. How do they deal?
  7. Come up with your ending before you figure out your middle. Seriously. Endings are hard, get yours working up front.
  8. Finish your story, let go even if it’s not perfect. In an ideal world you have both, but move on. Do better next time.
  9. When you’re stuck, make a list of what WOULDN’T happen next. Lots of times the material to get you unstuck will show up.
  10. Pull apart the stories you like. What you like in them is a part of you; you’ve got to recognize it before you can use it.
  11. Putting it on paper lets you start fixing it. If it stays in your head, a perfect idea, you’ll never share it with anyone.
  12. Discount the 1st thing that comes to mind. And the 2nd, 3rd, 4th, 5th – get the obvious out of the way. Surprise yourself.
  13. Give your characters opinions. Passive/malleable might seem likable to you as you write, but it’s poison to the audience.
  14. Why must you tell THIS story? What’s the belief burning within you that your story feeds off of? That’s the heart of it.
  15. If you were your character, in this situation, how would you feel? Honesty lends credibility to unbelievable situations.
  16. What are the stakes? Give us reason to root for the character. What happens if they don’t succeed? Stack the odds against.
  17. No work is ever wasted. If it’s not working, let go and move on – it’ll come back around to be useful later.
  18. You have to know yourself: the difference between doing your best & fussing. Story is testing, not refining.
  19. Coincidences to get characters into trouble are great; coincidences to get them out of it are cheating.
  20. Exercise: take the building blocks of a movie you dislike. How d’you rearrange them into what you DO like?
  21. You gotta identify with your situation/characters, can’t just write ‘cool’. What would make YOU act that way?
  22. What’s the essence of your story? Most economical telling of it? If you know that, you can build out from there.

 

Synthetisierte Anleitung für Storytelling

…angelehnt an die Pixar Storytelling-Prinzipien. Hier müssen nicht alle Aspekte bedient werden, die wichtigsten von oben nach unten:

  1. Nenne einen Anlass für eine Geschichte. Etwas abstrakt gesprochen, ist der Anlass eine Spannung, die für eine gewisse Dynamik sorgt… ein Konflikt, eine Frage, ein göttlicher Auftrag oder eine Suche.
  2. Lass diese Spannung in einen Kontext fließen: in welcher Umgebung, mit welchen Menschen, welchen Gegenständen, Farben, Symbolen, Wörtern und Szenen kann sie wirken?
    Daraus entwickelt sich nun die Geschichte.
  3. Es war einmal… 
  4. Lass die Spannung sich steigern und vielleicht auch eskalieren:
    ein Konflikt braucht eine Konfrontation oder Entladung,
    eine Suche kann scheitern oder Entdeckungen bringen,
    ein Leiden kann zum Verzweifeln werden,
    eine Freude kann in Rausch übergehen…
  5. Und dann stelle sicher, dass durch Gefühle und Emotionen es lebendig bleibt für die Zuhörer.
  6. Definiere auch das Ende und damit den Lösungszustand:
    Wie löst sich die Spannung letztlich auf? Wodurch entsteht Ruhe, Erlösung, Frieden, Heilung oder die finale Erkenntnis?
  7. Und die Moral von der Geschicht‘?
    Formuliere einmal die Kernbotschaft. Sie kann direkt genannt werden oder sich nur metaphorisch zeigen wie in einer Parabel.
  8. Verankere die Kernbotschaft in ein paar Schlüsselbegriffen oder Sprüchen.

Hier findest du ein Arbeitsblatt als Vorlage, um etwas Struktur in den Geschichtenprozess zu bringen:

Storytelling Vorlage Arbeitsblatt - Geschichten erzählen

 

Und jetzt du: schreib deine Geschichte, fülle das Template aus.
Ich freue mich, wenn du mir dein ausgefülltes Arbeitsblatt schickst!

 

Verwandte Themen:

Schreibe einen Kommentar