Unternehmenssanierung

Ein Haus kann alt und unwohnlich werden, die Energieversorgung ineffizient, Technik unzuverlässig – dann steht eine Sanierung an. Genauso kann für ein Unternehmen eine Sanierung anstehen, wenn es finanziell angeschlagen und nicht mehr profitabel ist.

Ist das Haus zu marode und kaputt, wird die Sanierung sehr aufwendig und teuer – es könnte günstiger sein, das Haus zu verkaufen, zu verlassen oder es abzureißen und ein neues zu bauen. Dies entspricht einer Insolvenz: eine Unternehmenssanierung kann auch mit Hilfe eines Insolvenzverwalters geschehen, wenn es noch Chancen gibt, das Unternehmen aufrecht zu erhalten und wenn auch die Gläubiger damit einverstanden sind – andernfalls kommt es zur Liquidation.

 

Methodik der Unternehmenssanierung

Um sich einer Unternehmenssanierung praktisch zu widmen, bieten die folgenden Modelle eine Orientierung: allgemeine Leitprinzipien, eine Schritt-für-Schritt-Anleitung und das Standard-Modell IDW-S6.

Leitprinzipien der Sanierung

  • Stakeholder-Einbindung und Transparenz in der Kommunikation
  • schnelle Reaktionsfähigkeit
  • realistische Einschätzung und Akzeptanz der Unternehmenssituation
  • Erhalt von Arbeitsplätzen

Anleitung Unternehmenssanierung

Für eine nachhaltige Unternehmenssanierung sind folgende Schritte hilfreich:

  • eine gründliche Analyse von Finanzen, Ressourcen, Probleme und ihrer Ursachen,
  • Quick Fixes: Möglichkeiten zur Kostensenkung und Einnahmen durch Verkauf von Vermögenswerten
  • Geschäftsmodell-Innovationen:
    • bestehende Produkte an neue Zielgruppen oder neue Märkte verkaufen,
    • neue Produkte für die bestehenden Zielgruppen und Märkte entwickeln,
    • Kooperationen in Marketing & Vertrieb
  • Restrukturierung der Organisation und Prozesse: Anpassung der Organisationsstruktur und der internen Prozesse zur Effizienzsteigerung
  • Investition in Mitarbeiterbeziehungen und Kultur: Die Förderung einer starken Unternehmenskultur und die Investition in vertrauensvolle und kompetente Mitarbeiter sind langfristig für den Erfolg entscheidend.
  • Langfristige agile strategische Planung: Die Entwicklung eines robusten, zukunftsorientierten Geschäftsplans, der auf einer soliden Marktanalyse und realistischen Zielen basiert, ist für die Nachhaltigkeit des Unternehmens wichtig.

Die Sanierung kann bei unkritischen Fällen alltagsbegleitend geschehen. Bei drohender Insolvenz braucht es einen umso solideren Sanierungsplan, der mit den Gläubigern des Unternehmens abgestimmt werden muss. In diesem Zuge werden oft die Konditionen von Krediten und Schulden neu verhandelt. Da es auch für die Gläubiger nützlicher ist, den Betrieb aufrecht zu erhalten, wird nach neuen Win-Win-Szenarien gesucht.

Die Sanierung eines Unternehmens ist oft ein schwieriger Prozess, der Entschlossenheit, Kreativität und eine klare strategische Vision erfordert. Mit den richtigen Maßnahmen und einer starken Führung kann jedoch selbst ein finanziell angeschlagenes Unternehmen wieder auf den Weg des Erfolgs gebracht werden.

IDW S6-Modell

Das IDW S6-Modell ist ein Standard, der vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) für die Erstellung von Sanierungskonzepten entwickelt wurde. Es dient als Richtlinie für die strukturierte Bewertung und die Erstellung von Konzepten zur Sanierung von Unternehmen. Dies sind die Kernpunkte des IDW S6-Modells:

  1. Analyse der Ausgangssituation
    • Detaillierte Untersuchung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens.
    • Identifikation und Analyse der Krisenursachen (z.B. strategische, operative, finanzielle Krisenursachen).
  2. Überprüfung der Sanierungsfähigkeit
    • Prüfung, ob grundsätzlich eine positive Fortführungsprognose für das Unternehmen besteht
    • Bewertung der rechtlichen, wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Sanierung.
  3. Sanierungsziele
    • Definition von kurz-, mittel- und langfristigen Sanierungszielen.
    • Festlegung von quantitativen und qualitativen Zielen, die durch die Sanierung erreicht werden sollen.
  4. Sanierungsmaßnahmen
    • Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs zur Bewältigung der Unternehmenskrise.
    • Unterscheidung zwischen operativen, finanziellen und strategischen Sanierungsmaßnahmen
  5. Businessplan und integrierte Planungsrechnung
    • Erstellung eines Businessplans, der die Sanierungsmaßnahmen und deren Auswirkungen detailliert beschreibt.
    • Integrierte Planungsrechnung (Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz, Liquiditätsplan) für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren.
  6. Finanzwirtschaftliche Sanierungsbeiträge
    • Identifikation möglicher Beiträge der Stakeholder zur Sanierung (z.B. Kapitalzuführungen, Forderungsverzichte).
    • Verhandlungen mit Gläubigern, Investoren und weiteren Beteiligten über deren Beiträge zur Sanierung.
  7. Umsetzungsplanung
    • Detaillierter Zeitplan für die Implementierung der Sanierungsmaßnahmen.
    • Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Ressourcen für die Umsetzung.
  8. Monitoring und Controlling
    • Einrichtung eines effektiven Controllings zur Überwachung der Sanierungsfortschritte.
    • Regelmäßige Berichterstattung über die Erreichung der Sanierungsziele und Anpassung der Maßnahmen bei Bedarf.
  9. Dokumentation und Kommunikation
    • Ausführliche Dokumentation des Sanierungskonzepts und der Planungsrechnungen.
    • Transparente Kommunikation mit allen Stakeholdern über Ziele, Maßnahmen und Fortschritte der Sanierung.

 

Systemische Theorie zur Unternehmenssanierung

Ein Unternehmen ist ein System von Menschen mit einer wirtschaftlichen, gruppendynamischen und spirituellen Ausrichtung. Für eine erfolgreiche Sanierung ist ein Verständnis auf den folgenden Ebenen wichtig:

  • Psychologie: Gruppendynamik, Führung, Potenzialentfaltung, Kreativität, Motivation
  • Wirtschaftlich: Marktposition, Bilanzierung, rechtlich (Arbeitsrecht, Insolvenzordnung, Gesellschafts-, Handels- und Steuerrecht)
  • Spirituell: Kultur, Vision, Beziehungen, Rituale, Gepflogenheiten und Glaubenssätze innerhalb der Organisation

Auf allen Ebenen ist es wichtig, dass die beteiligten Personen in den Erfolg des Unternehmens glauben. Aus Kundensicht (K) muss ein Bedarf zufriedenstellend erfüllt werden, damit Geld für die Angebote des Unternehmens ausgegeben wird. Die Sanierung sollte sich also in jedem Fall um diesen wirtschaftlichen Austausch von Angebot und Kauf drehen. Darauf aufbauend kann das Unternehmen weiterentwickelt werden durch Innovation hinzu weiteren, besseren, hochwertigeren Angeboten, um die Einnahmen zu steigern. Wichtig dafür sind Einblicke in die tatsächlichen Bedarfe und Wünsche der Kunden und daraufhin die Erfüllung durch die Mitarbeiter (M) des Unternehmens.Innovation Unternehmen Markt Feedback Kunden-zentriert

Wenn das grundsätzliche wirtschaftliche Fundament weiterhin vorhanden ist, lohnt es sich, es zu erhalten – auch wenn dafür Kompromisse gefunden werden müssen bzgl. Eigentum, Bedingungen etc. Für die spirituelle Ausrichtung kann die Visionspyramide genutzt werden, um die positive Ausrichtung des Unternehmens zu definieren auf den Ebenen der Vision, der Werte, der Kompetenzen und Rituale (hierin auch die Wertschöpfung).

Visionspyramide - Organisationsdesign - Design Thinking - Organisationsentwicklung - Persönlichkeitsentwicklung

Nach diesem Modell richtigen sich alle beteiligten Stakeholder an einer positiven Vorstellung von der Zukunft des Unternehmens aus.
(Stell dir im Gegenteil vor: keiner glaubt an den Nutzen der Produkte und an die Zukunft und Zahlungsfähigkeit, und auch nicht an einen sonstigen Sinn des Unternehmens. Dann würden alle sofort die Arbeit sein lassen und das Unternehmen wäre bald nicht mehr existent.)

Es ist also entscheidend, dass alle Beteiligten an den Erfolg des Unternehmens glauben und bereit sind, ihre Ressourcen, Zeit und Lebensenergie hinein zu investieren. Eine wesentliche Ebene dabei sind die Beziehungen der Menschen untereinander – denn jeder Mensch braucht eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe und ein Arbeitsort erfüllt dieses grundlegende Bedürfnis für die meisten Menschen.

Laut der Google „Aristoteles“ Studie ist die emotionale Sicherheit, dazuzugehören, sich einbringen zu können und sich mit Menschen auszutauschen, ein entscheidender Faktor für den Erfolg eines Teams. Die wichtigste Dynamik für eine erfolgreiche Sanierung ist also eine positive Teamdynamik, in der alle anpacken und miteinander ein gutes Gefühl dabei haben, Teil dieses Abenteuers zu sein und gemeinsam an etwas wichtigem zu arbeiten.

Teamentwicklung - Project Aristotle - Google Studie - Team Performance

Zu emotionaler Sicherheit gehört natürlich auch noch die Sicherheit, nicht in eine persönliche Schieflage zu rutschen, Schuld zugeschoben zu bekommen oder angefeindet zu werden. Und die Sicherheit, seine Ängste und Sorgen aussprechen zu können, gehört zu werden und sogar positiven Ideen einbringen zu können.

 

Rechtlicher Rahmen

Drei wesentliche rechtliche Orientierungshilfen bieten die InsO (Insolvenzordnung), das StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen) sowie das ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen).

Insolvenzordnung

Die rechtlichen Grundlagen für eine Insolvenz durch einen Insolvenzverwalter regelt die Insolvenzordnung (InsO) diese Prozesse [1]. Die wesentlichen Aspekte sind:

  1. Insolvenzantrag (§§ 13-15 InsO): Dieser kann vom Schuldner oder einem Gläubiger gestellt werden, wenn Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt.
  2. Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 InsO): Nach Antragstellung kann das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter ernennen, der das Vermögen des Schuldners sichert und dessen wirtschaftliche Lage prüft.
  3. Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO): Nach Prüfung der Antragsvoraussetzungen kann das Gericht das Insolvenzverfahren eröffnen und einen Insolvenzverwalter bestellen.
  4. Aufgaben des Insolvenzverwalters (§ 80 InsO): Der Insolvenzverwalter übernimmt die Verwaltung und Verwertung des Insolvenzvermögens und vertritt die insolvente Gesellschaft nach außen.
  5. Insolvenzplan (§§ 217-269 InsO): Der Insolvenzplan ist das zentrale Instrument zur Sanierung im Insolvenzverfahren. Er wird vom Insolvenzverwalter oder dem Schuldner erarbeitet und muss von den Gläubigern und dem Gericht bestätigt werden.
  6. Gläubigerversammlung (§ 74 InsO): Die Gläubiger werden in einer Versammlung über den Fortgang des Verfahrens informiert und können über bestimmte Maßnahmen, wie die Annahme eines Insolvenzplans, abstimmen.
  7. Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO): Nach Durchführung des Insolvenzplans oder Verwertung des Vermögens und Befriedigung der Gläubigeransprüche wird das Verfahren beendet.

Diese rechtlichen Grundlagen bilden den Rahmen für den Umgang mit Insolvenzen und ermöglichen eine strukturierte Abwicklung sowie die Möglichkeit zur Sanierung des Unternehmens. Dabei spielen Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter eine zentrale Rolle.

StaRUG – Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen

  • Einführung Anfang 2021: Teil der Umsetzung der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen.
  • Ziel: Ermöglichung der Sanierung von Unternehmen, bevor eine Insolvenz droht, und Vermeidung der Liquidation wirtschaftlich lebensfähiger Unternehmen.
  • Anwendungsbereich: Richtet sich an Unternehmen, die drohend zahlungsunfähig sind, aber noch nicht insolvent.
  • Instrumente: Einführung eines präventiven Restrukturierungsrahmens, der es ermöglicht, Restrukturierungspläne außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu entwickeln und umzusetzen.
  • Schutzmaßnahmen: Stabilisierungsanordnungen können erlassen werden, um Vollstreckungsmaßnahmen gegen das Unternehmen temporär zu untersagen oder auszusetzen.
  • Restrukturierungsplan: Muss von einer qualifizierten Mehrheit der betroffenen Gläubigergruppen angenommen werden und kann gerichtlich bestätigt werden, auch gegen den Willen einzelner Gläubigergruppen.
  • Eigenverwaltung: Das Management bleibt grundsätzlich im Amt und führt das Unternehmen weiter.

ESUG – Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen

  • Einführung im März 2012: Reform des deutschen Insolvenzrechts.
  • Ziel: Verbesserung der Sanierungschancen von Unternehmen durch das Insolvenzverfahren und Stärkung der Gläubigerrechte.
  • Eigenverwaltung: Erleichterte Zugangsmöglichkeiten zur Eigenverwaltung (§ 270 InsO), bei der das Management die Kontrolle behält und das Unternehmen durch das Verfahren führt.
  • Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO): Für Unternehmen, die überschuldet oder drohend zahlungsunfähig sind, aber noch nicht zahlungsunfähig. Ermöglicht es, unter einem „Schutzschirm“ einen Sanierungsplan zu erarbeiten.
  • Gläubigereinfluss: Stärkung der Position der Gläubiger im Insolvenzverfahren, unter anderem durch die Möglichkeit, einen Insolvenzverwalter vorzuschlagen und bei der Planerstellung mitzuwirken.
  • Insolvenzplanverfahren: Flexibilisierung des Insolvenzplanverfahrens, um individuellere und kreativere Sanierungslösungen zu ermöglichen.

[1] https://www.gesetze-im-internet.de/inso/

[2] https://www.gesetze-im-internet.de/starug/

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_zur_weiteren_Erleichterung_der_Sanierung_von_Unternehmen