Alle Jahre wieder: mit Silvester kommen Neujahrs-Vorsätze – und oft die gleichen wie im Jahr zuvor. Laut einer Studie bleiben 77 % der Leute mit Neujahrsvorsätzen nach einer Woche noch dran, aber nur 19% noch zwei Jahren [1].
Wir alle kennen das Phänomen: du nimmt dir etwas vor, aber bei kleinsten Schwierigkeiten fallen wir doch wieder in unsere alten Gewohnheitsmuster zurück.
Das Ziel eines Vorsatzes ist es, eine neue, vorteilhafte Gewohnheit zu etablieren. Die Frage lautet also: Wie kann ich Vorsätze wirklich einhalten? Wie kann ich nachhaltig neue Gewohnheiten erschaffen?
– in diesem Artikel zeigen Tim & Karl dir zwei wesentliche Ansätze aus der Psychologie.
1. Nutze selbsterfüllende Prophezeiungen
Eine selbsterfüllende Prophezeiungen ist eine Rückkopplungsschleife zwischen Erwartung und Verhalten: durch eine bestimmte Erwartung sorgt die Person durch ihr Verhalten dafür, dass sich das erwartete Resultat einstellt und wir damit neue Gewohnheiten lernen und gute Vorsätze einhalten können.
Nehmen wir zum Beispiel Erfolg oder Misserfolg in mündlichen Prüfungen: je nach Glaubenssatz sorge ich durch Fleiß oder Vermeidung für Lernerfolg und gute Vorbereitung – oder Trägheit und Unsicherheit.
Negative Selbsterfüllende Prophezeiung für eine Prüfung:
Glaubenssatz „Ich schaffe das nicht, ich brauch es gar nicht erst zu probieren“
–> hinderlicher innerer Zustand: Passivität, Vermeiden, Ablenkung, Angst und Anspannung, Lustlosigkeit, geringe Motivation
–> geringe Lernaktivität
–> geringer Lernerfolg
–> schlechtes Ergebnis in der Prüfung
–> Bestätigung und Verfestigung des Glaubenssatzes
Positive Selbsterfüllende Prophezeiung für eine Prüfung:
Glaubenssatz „Ich kann das schaffen, wenn ich mich bemühe“
–> förderlicher innerer Zustand: Vorbereitung, Konzentration, Neugier und Begeisterung, Freude am Lernen, hohe Motivation
–> hohe Lernaktivität
–> hoher Lernerfolg
–> gutes Ergebnis in der Prüfung
–> Bestätigung und Verfestigung des Glaubenssatzes
Beispiel Freundlichkeit: Eine Person, die ein positives Menschenbild hat und herzliche Reaktionen der Außenwelt erwartet, verhält sich selbst herzlich und offen und wird dementsprechende Reaktionen erhalten. Ein Misanthrop, der nur schlechtes von den Menschen erwartet, geht griesgrämig auf andere zu und erhält dementsprechende Reaktionen.
Methoden für positive selbsterfüllende Prophezeiungen
- Inspirierende Fragen stellen, um den Geist auf schöne Resultate einzustellen. Wenn wir eine positive Vision finden, dann kann uns die Vision dazu inspirieren, für ihre Verwirklichung zu arbeiten.
Besonders geeignet dafür ist die Wunderfrage:
Stell dir vor, du wachst eines morgens auf und ein Wunder ist geschehen: das, wonach du dich sehnst, dein Traum ist Wirklichkeit geworden. Wie erlebst du dieses Wunder? Was siehst du, hörst du? Wie verhältst du dich, wie fühlst du dich?
- Visualisierung mit Hilfe der Leinwand-Methode:
Stell dir vor, du kannst wie auf einer weißen Leinwand von vorne anfangen und die Lösung deiner Träume entstehen lassen: Lasse schöne Bilder, Szenen und Vorstellungen auf dieser Leinwand entstehen.
Die Leinwand kann zum Beispiel:- Vor dem inneren Auge auf einer inneren Leinwand.
- Auf einem weißen Blatt Papier mit Stiften,
- Auf einer richtigen Leinwand mit vielen bunten Farben,
- In einer Kollage, digital oder analog.
- Die Visionspyramide strukturiert zu deiner Vision auch die passenden Kompetenzen, Verhaltensweisen und Werte. Wenn Vision, Werte, Kompetenzen und Gewohnheiten gut aneinander ausgerichtet sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg, einen guten Vorsatz einzuhalten, besonders hoch …zur Visionspyramide.
In der Online-Ausbildung für Kreativitäts-Coaches lernen wir, selbsterfüllende Prophezeiungen und diese 3 Methoden für uns und Klienten ideal zu nutzen.
2. Konditionierung:
Gute Vorsätze einhalten durch Belohnung des richtigen Verhaltens
Wir Menschen haben die gleiche Art von Nervensystemen wie Hunde oder Seehasen.
Menschen können Hunde konditionieren, sodass Hunde auf Abruf bellen, Männchen machen, Feinde angreifen oder auf Futter verzichten.
Auch wenn wir Menschen intellektuell mehr drauf haben als Hunde und Seehasen, funktionieren die gleichen Mechanismen in unserem Säugetier-Gehirn. Sogar noch besser: Wir können uns selbst trainieren und konditionieren mit Zuckerbrot und Peitsche. Jedoch ist die Peitsche nicht mehr zeitgemäß und Zucker ungesund, deswegen sollten andere Belohnungen und Bestrafungen gewählt werden. Zum Beispiel habe ich mir selbst das Lippenkauen abgewöhnt, indem ich immer, wenn ich mich dabei ertappt habe, 10 Liegestütze gemacht habe, bis mein Nervensystem gelernt hat, dass Lippenkauen anstrengend ist und sich den Aufwand irgendwann lieber gespart hat.
Wie funktioniert Konditionierung?
James Clear hat das sehr erfolgreiche Buch „Atomic Habits“ veröffentlicht, in welchem er genau beschreibt, wie eine Gewohnheiten a.k.a. Konditionierungen entstehen und funktionieren. Wenn wir das verstehen, können wir lernen, bessere Gewohnheiten zu implementieren.
Gewohnheitszirkel | Beispiel | Beispiel | Wie man eine gute Gewohnheit erzeugt. |
Zeichen (Cue) | Das Telefon vibriert. | Ich wache auf. | Mach es offensichtlich! |
Verlangen (Craving) | Ich möchte wissen, was los ist. | Ich möchte munter werden. | Mach es attraktiv! |
Reaktion (Response) | Ich greife danach. | Ich mache mir einen Kaffee. | Mach es einfach! |
Belohnung (Reward) | Ich lese die Nachricht. Das Vibrieren des Telefons wird immer mehr mit dem Greifen danach assoziiert. | Ich fühle mich munterer. Aufwachen wird daher immer mehr mit Kaffee machen assoziiert. | Mach es befriedigend! |
Warum schaffen wir es nicht gute Vorsätze einzuhalten?
- Entweder weil die Zeichen unsichtbar sind,
- weil der erwartete Output unattraktiv ist und kein Verlangen auslöst,
- weil der Vorsatz und die dafür nötige Reaktion zu kompliziert oder
- weil es letztlich nicht befriedigend ist durch mangelnde Belohnung oder mangelnde Ergebnisse.
Beispiel: Ich möchte fitter werden und habe mir deswegen vorgenommen joggen zu gehen.
Wie kann ich diesen Vorsatz einhalten?
- Ein offensichtliches Signal schaffen – so kann ich z.B. direkt nach dem Aufwachen in meine Sportschuhe steigen und damit die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöhen, dass ich wirklich joggen gehe.
- Das Ziel attraktiv machen – z.B. kann ich mir immer wieder den Wert meiner neuen Gewohnheit vor Augen führen und kann mir vorstellen, wie ich mich gesund, glücklich und voller Leben fühle.
- Die Reaktion einfach und machbar machen – Es nützt nichts, sich eine Stunde Joggen vorzunehmen, wenn man sich dadurch demotiviert fühlt. 5-20 Minuten können für den Anfang schon ausreichen. Um eine Gewohnheit zu etablieren, ist es sinnvoll sie häufiger in kleinen Formaten auszuführen, statt selten in großen!
- Befriedigung empfinden – Nach dem Laufen darf man stolz auf sich sein und sich ruhig etwas kleines gönnen und sich bewusst entspannen.
Noch einfacher: Arbeitsblatt zur Konditionierung positiver Gewohnheiten
Hier findest du ein Arbeitsblatt für ein einfachstes Schema der Konditionierung, um neue Vorsätze einhalten zu lernen.
Anleitung: Vorsätze einhalten durch Konditionierung
- Benenne das Ziel oder Verlangen,
zum Beispiel „mich fit und gesund fühlen, zum Beispiel indem ich regelmäßig Joggen gehe“.- Mache das Ziel zu einem Mini-Ziel, sodass es möglichst leicht und realistisch umzusetzen ist.
Achtung: Oft werden neue Vorsätze deswegen nicht eingehalten, weil sie einfach zu groß und zu schwer umzusetzen sind. Von nun an jeden Tag eine Stunde Joggen zu gehen ist unrealistisch. Wie wäre es mit 5 Minuten? - Mach aus dem kleinen, realistischen Ziel ein Mini-SMART-Ziel (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert) und trage es oben kurz und knapp im Arbeitsblatt ein,
z.B. bis »Ende Januar 3x 5 Minuten Joggen gehen«.
- Mache das Ziel zu einem Mini-Ziel, sodass es möglichst leicht und realistisch umzusetzen ist.
- Trage die Tätigkeit in der Mitte des Arbeitsblatts ein,
»Turnschuhe anziehen und 5 Minuten Joggen, Klamotten egal«. - Überlege dir Rahmenbedingungen und einen eindeutigen dafür passenden Auslöser / Trigger, um loszulegen,
zum Beispiel,
„Wenn die Kinder aus dem Haus sind und die Tür zugeschlagen wurde“,
oder „Nach dem Zähneputzen“ oder „nachdem die Post kam“. - Feiere deinen Erfolg jeden Mal, egal wie. Du kannst dir selbst applaudieren, kleine Jubelschreie im versteckten Kämmerlein abgeben, klatschen, einen lieben Menschen umarmen… Wenn du möchtest, denk dir eine gesunde Belohnung aus (zum Beispiel „in Ruhe einen Tee trinken“ oder „mir selbst danken“ oder „warm duschen“).
Beispiel:
„Wenn die Kinder das Haus verlassen haben und die Tür sich schließt,
werde ich Turnschuhe anziehen und 5 Minuten Joggen, die Klamotten sind dabei egal.
Das feiere ich!“
Warum funktioniert’s? – Wissenschaftliche Einordnung
Die Hebb’sche Regel besagt: What fires together, wires together [2]. Wenn bestimmte Verhaltensweisen belohnt werden, bauen sich dafür stärkere Nervenbahnen aus und dieses Verhalten wird in Zukunft unbewusst bevorzugt – dies funktioniert z.B. auch für gesunde Ernährung, Fitness und herzliche Familienkultur.
Lernerfolg durch Konditionierung wurde unzählige Male wissenschaftlich bestätigt, bekannt geworden durch Iwan Pawlow, der Hunden einen Speichelfluss bei Glöckchenklingeln antrainierte, indem sie ursprünglich das Glöckchen mit Zitronensaft assoziierten und letztlich bei jedem Glöckchen mit Speichelfluss reagierten, auch wenn keine Zitronen mehr kamen.
Eine besonders effektive Form der Konditionierung sind soziale Feedbackschleifen – die Erinnerungen, Ermahnungen und Ermutigungen durch Freunde, Familie, Kollegen. In der Sorge um unser Ansehen, unsere Glaubwürdigkeit – und der Möglichkeit zu beeindrucken, werden starke Kräfte in uns mobilisiert. So könnte z.B. zum Neujahr eine 30-Tages-Challenge im Team durchgeführt werden, in der das gewünschte Verhalten in realistischen Schritten 30 Tage lang geübt wird.
… noch mehr zur Kraft der Konditionierung
Metapher: Vorsätze einhalten ist wie Elefanten reiten
Das Wort „Vorsatz“ spricht schon eine deutliche Sprache: ich „setze mir etwas vor“. Ich stelle mir ein Ziel vor, dass rational betrachtet sinnvoll wäre. Der Vorsatz ist allerdings noch etwas getrenntes von mir. Sonst wäre es schließlich kein Vorsatz. Ich kann Vorsätze einhalten, und nur dann einhalten, wenn ich sie verinnerliche und sie Teil meines Lebensstils werden. Das ist das Ziel aller vorgestellten Methoden.
Worum es also im Grunde genommen geht, kann man mit der Metapher vom Reiter und Elefanten veranschaulichen:
Der Reiter steht hierbei für den bewussten Teil der menschlichen Psyche, der vor allem im Alltag aktiv ist und der Elefant für den unbewussten Teil, der immer aktiv ist. Diese klassische Unterscheidung zwischen unbewussten und bewussten Anteilen, und dass das Unbewusste unser Verhalten maßgeblich bestimmt ist neurobiologisch fundiert und wird immer wieder nachgewiesen. Das Unbewusste, der Elefant, ist viel größer und mächtiger als der kleine Reiter. Wenn der Reiter versuchen wollte, den Elefanten gegen seinen Willen irgendwo hinzubewegen, wird er in jedem Fall unterliegen. Reiter und Elefant müssen also eine Einheit bilden und nur dann können sie gemeinsam vorwärtskommen.
Um einen guten Vorsatz Wirklichkeit werden zu lassen, und eine neue Gewohnheit zu etablieren ist es also wichtig, den unbewussten Teil der Psyche mitzunehmen. Gute Vorsätze einhalten, heißt sich ganzheitlich zu wandeln. Der Reiter kann sich alles mögliche vornehmen, solange er den Elefanten nicht an seiner Seite hat, werden die besten Vorsätze immer wieder scheitern.
Weitere Methoden, um gute Vorsätze einzuhalten
- Autogenes Training
- Hypnose & Selbsthypnose
- Online-Kurs „Creative Self“ für eine neue Lebensphase
[1] John C.Norcross, Dominic J.Vangarelli: The resolution solution: Longitudinal examination of New Year’s change attempts.