Lernerfolg durch Gamification: 3 Modelle

Es ist erwiesen: die Motivation steigt und wir lernen leichter, wenn wir mit Gamification lernen – egal ob in der Schule, Hochschule oder in Workshops & Trainings.

In diesem Artikel zeige ich dir, wie du mit Gamification deine Lernprozesse bereichern kannst: für mehr Lernerfolg, Motivation, Interaktion, Neugier, Flow, Selbstwirksamkeit und Freude an der Bildung.

Denn: Gamification ist zu gut, um drauf zu verzichten!

3 Modelle, um Lernen zu gamifizieren

Ich zeige dir in diesem Artikel drei verschiedene Zugänge, wie du mit Gamification Lernen und Lehren spannend und motivierend gestalten kannst:

  1. Experienced Based Learning zeigt dir einen idealen Lernprozess als Heldenreise auf.
  2. Das Octalysis-Modell nennt 8 Motivationen und Handlungstriebe.
  3. Der Gamification Canvas gibt dir eine Vorlage, um ein einfaches Gamification Konzept für dein nächstes Projekt zu skizzieren. Mit der Workshop-Checkliste kannst du dich auf einen konkreten Workshop oder eine Unterrichtseinheit vorbereiten.

Das beste an Gamification ist, dass es nicht nur den Schülern mehr Spaß bringt, sondern auch den Lehrern und Dozenten, die durch Gamification mehr Kreativität freisetzen. Ziel ist es, die Motivation zu maximieren und Selbstwirksamkeit der Lernenden zu fördern. Dazu passt folgendes Zitat über eine Sackgasse des Schulsystems des 20. Jahrhunderts:

Die Aufgabe von Schule ist es nicht, das Misslingen zu dokumentieren, sondern das Gelingen zu organisieren.

…und um das Gelingen zu organisieren, kannst du viel positive Energie in die Entwicklung und Durchführung deines Lernprozesses fließen lassen.

 

I Experience-based Learning

Experience-Based Learning ist quasi Gamification in eine Lernprozess-Struktur gegossen.

Dies sind die 4 Phasen der Experience-based Learning – Kurve:

  1. Discovery: Das Thema, die Inhalte und die „Spielregeln“ können entdeckt werden.
  2. Onboarding: Die Teilnehmer überschreiten eine Schwelle in die Welt dieser Lernreise und sammeln erste Erfolgserlebnisse, während sie immer tiefer in den Lernprozess eintauchen.
  3. Scaffolding: Am Anfang gibt es viel Unterstützung beim Lösen von Problemen und Bewältigen von Aufgaben – mit der Zeit lernen sie, ihr eigenes Kompetenzgerüst zu benutzen und brauchen immer weniger Hilfe.
  4. Endgame: Teste deine Kompetenz an einer würdigen Abschlussprüfung.

Sie ist angelehnt an die Heldenreise nach Joseph Campbell. Dies ist die Kurve für erfahrungsbasierte Lernprozesse:

Erfahrungsbasierte Lernprozesse mit Gamification - experience based learning

Im folgenden liste ich Taktiken und Ideen auf, um die 4 Phasen richtig auszuspielen.

1. Entdecken: Workshopinhalte kennenlernen mit Gamification

Ziel: Erregung von Aufmerksamkeit und ein Gefühl von Vertrautheit

  • Cooler Teaser: das Erlebnis in kurz
  • Was krieg ich hier?
  • Was verpasse ich, wenn ich den Kurs nicht mache?
  • Warum passe ich hierher?
  • Social Proof: Wer benutzt diesen Kurs noch?

Typisches Storytelling:

  • Wow, ein seltenes Angebot
  • Wow, ein beinahe mystisches Geheimnis, welches ich hier entdecke
  • Wow, spannende andere Menschen

2. Onboarding-Strategien

So lässt du deine Lernenden richtig in deinem Lernprozess landen:

  • Schritt-für-Schritt-Anleitung für den Kurs
  • Empowerment, Story weiter erzählen
  • Schnelle Belohnungserlebnisse: Lass den Nutzer sich stark und schlau fühlen!
    • Einen kleinen Schritt erfolgreich abschließen,
    • sehr einfaches Quiz,
    • Glowing Choice (markanter Button, Bild zum Anklicken)
    • Identität anpassen (Avatar, Rolle für den Kurs…)
  • Bestätigung & Anerkennung geben, Selbstwirksamkeit für den Nutzer ermöglichen
  • dann langsam den Anspruch steigern…
  • Seltenheit kennenlernen… was gibt es hier ungewöhnliches zu holen?
  • …und welche Transaktionen & Leistung muss ich dafür aufbringen?

3. Scaffolding: Kompetenzgerüst aufbauen im Lernprozess mit Gamification

  • Je mehr ich als Nutzer reinstecke, desto mehr erhalte ich zurück
  • Ressourcen aufbauen und Belohnungen sammeln
  • den Fortschritt zum Ziel immer vor Augen haben
  • Schwierigkeit weiter steigern
  • Kreativität, strategischen Denken und Rätsel lösen
  • Meilensteine erschließen
  • Punkte sammeln …. und Punkte tauschen
  • Interaktion – andere sollen meinen Fortschritt erleben
  • ein wichtiges Puzzle lösen, welches im Laufe des Kurses immer wieder auftauchte oder angedeutet wurde…
  • einen Meilenstein erreichen, den ich nur mit Hilfe von anderen Personen erreichen kann
  • Zwangs-Pause einlegen… “Warte nun 3 Stunden, ehe du folgendes nächstes Ziel erreichen kannst”
  • Easter Eggs einbauen
  • Zufall nutzen, Zufalls-Challenge, “Lotterie”, Würfeln, Glücksrad etc.
  • weitere einzigartige Möglichkeit aufzeigen, nur für Nutzer, die es bis hierhin geschafft haben

4. Endgame eines Lernprozesses gamifizieren

  • Ultimatives Puzzle / Quiz
  • eigene / persönliche Herausforderung bewältigen
  • Kreativität einfordern
  • Nutzer kann sein bestes geben, alle Ressourcen aktivieren, um ein schwieriges Problem zu lösen
  • finaler Wettkampf mit anderen Nutzern

Danach:

  • Bestaunen der erreichten Meilensteine,
  • Lust auf Optimierung machen
  • Angebote, wie der Nutzer weiter machen kann

 

Gamifcation-Octalysis

II Octalysis: Motivations-Prinzipien

Büffeln und Pauken ist anstrengend. Doch du kannst mit Gamification Lernen zum Abenteuer werden lassen – durch die Nutzung Motivationsprinzipien. Ein gutes Modell für Gamifizierung und das Nutzen von Spiel-Elementen ist Octalysis nach Yu-Kai Chou, wie in der Abbildung dargestellt. Hier findest du eine Tabelle mit den 8 menschlichen Spielmotivationen aus Octalysis – und wie du damit Lernen gestaltest.

8 Gamification Elemente für Lernen und Schule

SpielmotivationAnwendung Gamifizierung fürs Lernen
SinnBenenne ein klares Ziel und den Sinn hinter dem Lernschritt. Benutze ein schönes Storytelling.
EmpowermentStrahle selbst Begeisterung aus, gib Anerkennung & Lob, sorge für ein Gefühl von Selbstwirksamkeit.
VerbundenheitSorge für soziale Interaktionen.
Neugier & ÜberraschungBaue Zufalls-Elemente ein (Lose, Würfeln) und platziere ein Geheimnis oder eine Überraschung, die im Laufe der Lerneinheit aufgelöst wird.
VermeidungKeine Gewalt, aber: Nenne Gefahren & mögliche Strafen und gib Regeln vor, um diesen auszuweichen.
EigentumVerteile Sachpreise oder Gegenstände, die fürs Lernen benutzt werden können.
SeltenheitManche Objekte gibt es nur selten, als Belohnung oder zu besonderen Anlässen. Ebenso die höchsten Auszeichnungen (gute Noten, Preise).
Entwicklung & LeistungGib Feedback auf die Entwicklung. Mache Lernen & Erfolg sichtbar.

 

III Mit Gamifcation lernen: Design für Unterricht & Lernprozesse

Gamification bedeutet, einen unterhaltsamen roten Pfaden durch die Inhalte und Aufgaben zu gestalten – dies setzt eine klare & gute Didaktik & Pädagogik voraus. Gamification kann niemals Inhalte, Didaktik und Pädagogik ersetzen – aber intensivieren und verschönern. Die Gestaltung der Lerneinheiten und Workshop kann z.B. mit Design Thinking und Scrum erfolgen.

Gamification-Canvas Spiel-elemente Lernen

Gamification-Checkliste für gute Workshops

Mit dieser Checkliste für ein ein Gruppen-Meeting, egal ob Workshop, Webinar, Seminare oder Kongress, stellst du sicher, dass deine Teilnehmenden im Gruppenprozess etwas wertvolles lernen, miteinander in Austausch kommen und es einen Fokus gibt. Dies sind die Grundlagen für gute Lernprozesse, Spielelemente kommen dann oben drauf.

Workshop-Checkliste - Coaching-Programm- Lernprozesse entwickeln -Online

Diese Checkliste sieht auf den ersten Blick vielleicht nicht so fancy aus – es soll hier deutlich werden, dass es zunächst darum geht,
erst einen funktionalen Lernprozess zu defineren und dann Spiel-Elemente zur Optimierung der Motivation für den Lernprozess zu nutzen.

 

Argumente für Gamification beim Lernen

Beim Spielen erfahren wir Selbstwirksamkeit: wir tun etwas und erfahren schnell Feedback und eine Wirkung unseres Handelns. Das macht einfach mehr Spaß als im Dunkeln zu tappen. Im besten Fall übertragen wir das Erlebnis von Selbstwirksamkeit auf den Lernprozess.

Weitere Vorteile, wenn Gamification auf Lernen angewandt wird.

  • Aktivierung der Lernenden und Freisetzen von Energie, dadurch:
  • Stärkeres Einprägen von Wissen und Kompetenzen –> Nachhaltigeres Lernen
  • Feedback gibt Orientierung und Sicherheit: Wo stehe ich? Was kann ich schon? Was kann ich noch lernen?
  • Nutzen von sozialen Trieben für den Lernprozess
  • Eine gut durchdachte Spielstruktur sollte Klarheit im Ablauf erzwingen

Gamification im Unterricht funktioniert:
Evidenz durch Lernforschung & Hattie

Die Hattie-Studie [1] fand in einer großen Meta-Analyse von Lernstudien u.a. folgende Erfolgsfaktoren für Lernen in der Schule, die einen Bezug zu Gamification haben.

FaktorEffektgröße (Hattie)Wahrscheinlichkeit LeistungszuwachsBezug zu Gamification
Cognitive Task Analysis1,2982%Stark strukturierte kognitive Analyse- & Entscheidungsprozesse lassen sich besonders gut durch gamifizierte Lernwege abbilden.
Scaffolding0,8271%Ein Lerngerüst ist ähnlich einer Spielanleitung und repräsentiert ein gut durchdachtes Lernsystem.
Tiefe Motivation (Deep Motivation)0,6969%Durch Aufzeigen des größeren Sinns und Bezug zur intrinsischen Motivation entsteht ein größerer Drive. Siehe Selbstbestimmungstheorie.
Feedback0,7069%Gamification nutzt Feedback-Schleifen, um den Fortschritt sichtbar zu machen und soziale Interaktion zu erhöhen.
Konzentriertes Üben0,7970%Gamification des Unterrichts zielt auf die intensivierte Verarbeitung des Lernstoffs und stark-portionierte Übungs-„Runden“.
Problemlösender Unterricht0,6868%Probleme lassen sich gut als Quests darstellen, portionieren, bepunkten und in den Gesamtforschritt eines Spiels einbauen.
Kooperatives Lernen0,4061%Lernphasen werden abwechslungsreicher durch Interaktion – ein zentrales Spiel-Element.
Ausgangskompetenz0,9475%Gamification versucht stets die Aufgaben zu präsentieren, die mit dem bisherigen Wissensstand gerade noch lösbar sind und steigert den Anspruch. Siehe Flow.
Leistungsschätzung durch Lehrer1,2982%Lernen sichtbar machen – Gamification macht Fortschritt sichtbar.

Gamification in der Schule: Kritik und Möglichkeiten

Wusstest du’s?
Alle Schulen benutzen Gamification, ohne es zu wissen oder so zu nennen: Noten, Wettbewerbe, Klassenstufen, soziale Lernformate sind bereits typische Spiel-Elemente – leider auch mit destruktiver Wirkung. Denn leider sorgt der bürokratische Schulapparat für Irrwege: In der Realität leiden viele Menschen unter Noten, Sitzenbleiben kann zur demütigenden Qual werden.

Nach der Gamification-Brille sollten Noten einfach Feedback sein und fördern im besten Fall einen gesunden Wettbewerb und spornen an. Klassenstufen stellen den Fortschritt im „Lernspiel Schule“ dar (mehr zur Kritik am Schulsystem).

Wie also kann Lernen in Schule – oder auch in Trainings und der Erwachsenenbildung – richtig gelingen?
Wie können wir mit Gamification Lernen zur Erfolgsgeschichte machen?

Ich hoffe, dieser Artikel konnte dir dafür Anregungen geben.

In meinen Online-Kursen kannst du nachvollziehen, wie ich diese Elemente für Lernprozesse nutze.

Hier habe ich noch einen persönlichen Erfahrungsbericht für ein erfolgreiches Beispiel von radikaler Gamification in der Schule aufgeschrieben.

 

Quellen

[1] Hattie, John (2009): Visible Learning. A synthesis of ov
er 800 meta-analyses relating to achievement. London.
[2] Robert Coe: It’s the Effect Size, Stupid What effect size is and why it is important
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Scaffolding


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