Systemisches Konsensieren ist eine Methode, um in einer heterogenen Gruppe zu einer möglichst inklusiven Entscheidung zu kommen. Systemisches Konsensieren besteht dabei im einfachsten Fall aus den vier Schritten:
- Formulierung der Fragestellung. Dazu sollten die Rahmenbedingungen genannt werden, welche unveränderlich sind und die Umsetzung beeinträchtigen oder beeinflussen.
- Sammeln der Optionen.
- Individuelle Widerstandsabfrage.
- Auswahl der Option mit der geringsten Widerstandssumme.
Um ganz Sicherzugehen, dass die Option mitgetragen wird, kann noch einmal nachgefragt werden: „Kann jemand nicht damit leben, die Option X auszuprobieren?“. Dies setzt die Schwelle herunter – die Option muss nicht für alle perfekt sein, es reicht, wenn sich keiner dagegen stellt.
Sollten alle Ergebnisse unbefriedigend sein, kann
- ein vertiefter Dialog über die Widerstände stattfinden, sodass die Parteien aufeinander eingehen und Lösungen jenseits des Widerstandes entwickeln können. Die Teilnehmenden können gefragt werden:
Was braucht der Vorschlag, sodass er nicht so viel Widerstand in euch regt? - eine Kreativitätstechnik helfen, um neue Möglichkeiten zu finden, z.B. 3 x 3 Brainstorming
- ein Design Thinking – Prozess initiiert werden, um das Problem gänzlich neu zu betrachten entsprechend der Bedürfnisse der Stakeholder, insbesondere mit der Stakeholder Map
Außerdem sollte im Vorfeld definiert werden, welche Option eintritt, wenn keine Einigung möglich ist, das ist die Passivlösung.
Widerstandsabfrage statt Abstimmung
Die wichtigste Innovation ist die Widerstandsabfrage, welche eine „Wer ist wofür?“ – Frage ersetzt.
Wer ist für welche Option?→ Für welche Option spricht möglicht wenig dagegen?
Mit dieser Ersetzung umgehen wir ein paar Fallstricke der menschlichen Kommunikation und von Gruppendynamiken. Der Feind einer friedlichen effektiven Entscheidungen sind Gemütswallungen, die sich gegenseitig hochschaukeln und inszenierte Rollenspiele, die an eventuell irrelevanten Themen ausagiert werden.
Psychologische Erklärung:
Wenn Menschen in ihrer Abstimmungsrolle gezwungen werden, sich zu positionieren, entsteht ein gewisser Druck – dieser Druck sorgt dann nicht immer für eine möglichst harmonische, kühlköpfige Entscheidung, sondern für allerlei Absurditäten des menschlichen Geistes. Eine ausführliche Auflistung bietet die Übersicht Kognitive Verzerrungen, hier 2 Beispiele:
- Escalating Commitment: „Ich habe mich einmal dafür entschieden, das musste gute Gründe gehabt haben, also sollte ich weiterhin so entscheiden, auch wenn alles dagegen spricht.“
- Social Proof: „Die meisten meiner Kollegen sind dagegen, also sollte ich auch dagegen sein, um nicht aufzufallen.“
Prinzipien Inklusive Entscheidungsfindung
Gruppen sind komplexe Systeme und Entscheidungsprozesse sind stets herausfordernd. Allerdings geht auch viel Qualität verloren, wenn nur triviale Entscheidungen getroffen werden.
Trivial wären:
- Der Chef entscheidet
- es werden keine Entscheidungen getroffen, entweder bleibt alles wie es ist oder wird dem Zufall überlassen
- Alle stimmen ab und die Mehrweit entscheidet (und nimmt evtl. in Kauf, dass viele Bedürfnisse einfach übergangen werden)
Ersetze vereinfachte herkömmliche Entscheidungsprinzipien durch → effektivere Gruppenprinzipien!
Zunächst wollen wir auch das umständliche Konsens-Prinzip abschaffen und durch ein intelligenteres Prinzip ersetzen: Konsent.
Konsens / Kompromisse→ Konsent
Hier die Gegenüberstellung:
Konsens: Die Entscheidung ist getroffen, wenn alle dafür sind.
Konsent: Die Entscheidung wird getroffen, wenn nichts mehr dagegen spricht.
← wird erleichtert durch Empathie, Dialog & Kreativität, um passende Lösungen zu erfinden
Der Konsent ist also eine Abschwächung des Entscheidungskriteriums. Dies kann sehr wertvoll sein, wenn sich leicht die Froten verhärten oder auch einfach, wenn viele gesprächsfreudige Personen an einer Entscheidung mitwirken und dadurch der Prozess aufgebläht wird und der Zeit- und Energieaufwand nicht mehr die Qualität der Entscheidung erhöht.
Entlastung von verhärteten Entscheidungsszenarien
Weitere sinnvolle Haltungen und Prinzipien für systemisches Konsensieren, New Work, z.B. im Rahmen von Reinventing Organisations, sind,
Dann wollen wir uns etwas entlasten… viele Konflikte über zwei Optionen A oder B entstehen aufgrund unnötiger Verengung des Möglichkeitsraumes. Wenn wir einsehen, dass die allermeisten Entscheidungen nicht für immer gefällt werden, sondern sowieso nur für einen begrenzten Zeitraum und wir diesen auch noch testweise definieren, fällt es viel leichter etwas locker zu lassen:
Fixe Entscheidungen→ Experimente mit zeitlichem Rahmen
Der größte Feind einer einfachen Einigung ist jedoch der verbissene Perfektionismus. Man kann sich wirklich gänzlich davor drücken, eine Entscheidung zu fällen geschweigedenn etwas umzusetzen, wenn man einfach überhöht perfektionistische Ansprüche an die Lösung erhebt. Leichter entscheiden und umsetzen lässt sich auch hier mit einer Abschwächung:
Perfekte Option→ “Good enough for now, safe enough to try”
Milder Umgang mit Egos
Sind die Egos erstmal verhärtet, muss man manchmal einfach weiter an einer Option festbeißen… denn sonst hieße es noch, man wäre wechselmütig oder würde kleingeben?! Niemals!
Anstatt zu verlieren, ist es jedoch schon viel schöner, großzügig zu sein und netter weise mit einer Option leben zu können.
Also angenehmer ist folgende Haltung:
Habe ich mich durchgesetzt?
→ Ergibt sich eine sinnvolle Lösung für die Gesamtheit, mit der ich leben kann?
Manchmal gibt es besonders hartnäckige Widersacher – denen manchmal auch egal ist, welche Konsequenzen ihre Blockade mit sich bringt. Dann hilft es, diese Menschen besonders ernst zu nehmen und sie für ihre mühevolle Hartnäckigkeit zu wertschätzen, indem sie die Verantwortung dafür bekommen, den weiteren Prozess zu strukturieren oder das umkämpfe Thema besser auszuarbeiten. Wenn dieses Prinzip im Vorfeld bekannt ist, lösen sich viele Widerstände in Luft auf.
Ich bin einfach nur dagegen→ Wer dagegen ist, macht einen Verbesserungsvorschlag und übernimmt Verantwortung.
Viel Spaß beim systemischen Konsensieren!
Damit lassen sich selbstorganisierte Teams strukturieren für Entscheidungsprozesse und somit moderne lebendige Organisationen gestalten.
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