Mein Modell für transformative Skills besteht aus 3 Kompetenzsäulen:
- Selbstkompetenz, d.h. die Fähigkeit den eigenen Organismus und Geist zu regulieren, zu führen und an die Umwelt anzupassen. Transformation kann aufwühlend, anstrengend und beunruhigend sein, wenn Gewohnheiten verändert werden, und seien sie auch dysfunktional. Dafür ist die individuelle Resilienz und Flexibilität entscheidend, sich auf Veränderungen und kritische Dialoge einzulassen. Es hängt wiederum von der Qualität der Gemeinschaft und des Transformationsprozesses ab, ob sich Menschen dafür öffnen und einbringen können.
- Systemkompetenz äußert sich in einer klaren und scharfen Wahrnehmung der Welt,
- möglichst frei von Verzerrungen,
- unter Nutzung kritischen Denkens,
- durch die Fähigkeit zu Empathie und Perspektivwechsel.
- mit nutzbarem Wissen über die Welt, die menschliche Gesellschaft, die Naturgesetze und psychologische, soziale Dynamiken.
- Change-Kompetenz, d. h. die Fähigkeit, mit der Welt zu interagieren, zu kommunizieren und Interventionen zu einem sinnvollen Wandel der betrachteten menschlichen, technischen und ökologischen Systeme vorzunehmen, um eine Homöostase zu ermöglichen… vor allem mit Hilfe von Interventions- und Kommunikationstechniken.
Transformationskompetenz ist ein Zusammenspiel aus kommunikativen und analystischen Fähigkeiten auf mehreren Metaebenen. Die Meta-Ebenen können veranschaulicht werden in der Visionspyramide, von konkreten Handlungen bis zu einem Idealbild des Systemzustands in der Zukunft:
Effektives Training in Transformativen Skills durch Reframing
Zum Aufbau von Transformationskompetenz ist ein Training in Reframing sehr hilfreich, um die unterschiedlichen Perspektiven eines komplexen Systems einzunehmen – sowohl unterschiedliche soziale Perspektiven als auch unterschiedliche zeitliche, bis hin zu ökologischen Perspektiven.
Dieses Training sollte sowohl in einem geschützten Setting geschehen, also z.B. in einem supervisierten Seminar, um die eigenen Widerstände zu integrieren, aber vor allem auch im Feld, also durch Dialoge, Vor-Ort-Besuche, Beobachtungen, Interviews etc.
Methodische Ansätze für Transformation
Design Thinking bietet einen allgemeinen Ansatz für nutzer-zentrierte Innovation, und damit auch für die Gestaltung von neuen Systemen, Prozessen, Lernumgebungen und Beteiligungsprozessen. Theory U ist eine Abwandlung des Design Thinking Prozesses mit mehr Betonung auf die systemischen, transzendenten und ökologischen Perspektiven. Es gibt einige weitere verwandte Methodiken, viele Institute entwickeln gerne ihre eigenen Modelle, mit Schwerpunkt auf einzelne Branchen oder spezifische Qualitäten, aber letztlich lassen sich alle Transformationsmodelle und Change-Prozesse auch aus Design Thinking herleiten. Dragon Dreaming zum Beispiel steigt direkt beim Träumen ein, überspringt aber den Aspekt des analytischen Denkens und der Perspektivwechsel, ich persönlich assoziiere es eher mit spirituellen Kreisen, mit der Gefahr des spiritual Bypassings.
Wenn ein Transformationsprozess inklusiv gegenüber Minderheiten und sensiblen Zielgruppen sein soll, helfen Trauma-Informiertheit und spannungsbasierte Beteiligungsprozesse. Daraus ergeben sich anspruchsvolle Gruppenprozesse, es entsteht ein hoher Anspruch an die Facilitatoren, unvorhergesehene Widerstände zu integrieren, alle mitzunehmen und dabei trotzdem das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Gemäß empirischer Forschungserkenntnisse [1-5] sind es insbesondere vertauensvolle Beziehungen, die über Erfolg und die Nachhaltigkeit von Lern- und Entwicklungsprozessen entscheiden. Daraus ergibt sich ein neues Feld von Methoden und Kompetenzen, welche gerade erst im Entstehen sind. Da Pädagogik und Management im 20. Jahrhundert noch durch autoritäre Dogmen [6,7] geprägt war, entsteht ein großer Bedarf an Aufklärung, Weiterbildung und Kulturentwicklung. Dafür braucht es wiederum dafür passende Räume, Rituale, inspirierende Vorbilder, Narrative, Gemeinschaften. Es gibt viel zu tun, sehen wir es als Chance.
Belege und weiterführende Informationen zu transformativen Skills
- Google re:Work. Google Aristotles Project. https://rework.withgoogle.com/print/guides/5721312655835136/ (Zugriff am 11.09.2023).
- Hattie, J. (2008). Visible Learning. Abingdon, Oxon: Routledge.
- Siegel, D.J. (2020). The Developing Mind. New York: The Guilford.
- Waldinger, R. (2015). What makes a good life. Lessons from the longest study on happiness. http://www.giuliotortello.it/materiali/80_years_study_hapiness_harvard.pdf (Zugriff am 12.09.2023)#
- Asay, T., Lambert, M. (2001). Empirische Argumente für die allen Therapien gemeinsamen Faktoren: Quantitative Ergebnisse. In: Hubble, M., Duncan, B., Miller, S. (Hrsg.): So wirkt Psychotherapie. Empirische Ergebnisse und praktische Folgerungen (S. 41–81). Dortmund: Verlag modernes Leben.
- Skinner, B. F. (1953). „Science and Human Behavior“. New York: Macmillan.
- Taylor, F. W. (1911). „The Principles of Scientific Management“. New York: Harper & Brothers.
- OECD-Broschüre über Transformationskompetenz
- Artikel über Transformative Skills bei Wendekindern unter https://www.journal-pb.de/blog/wendekinder-und-transformationskompetenz