[LXD] Learning Experience Design: Lernen als Kunstwerk

Nach UX (User Experience) und IX (Interaction Experience) gibt es auch LX: Learning Experience. Wenn wir die Lernerlebnisse aktiv gestalten wollen für eine spezifische Zielgruppe, heißt es dann Learning Experience Design (LXD).

Definition Learning Experience Design

Learning Experience Design (LXD) bedeutet: Lernprozesse und Lernumgebungen so zu gestalten, dass die Lernenden basierend auf ihrer intrinsischen Motivation ein Erfolgserlebnis erfahren können.

LXD ist damit eine spezielle Form der Didaktik, die sich auf den Konstruktivismus als Lerntheorie stützt und Erfahrungen inszeniert, die einen Lernerfolg der Nutzer ermöglichen. Am Ende dieses Artikels findest ein Glossar zur Abgrenzung der Begriffe.

 

Methoden des Learning Experience Designs

Learning Experience Design (LXD) umfasst eine Reihe von Methoden und Ansätzen, die verwendet werden können, um die Umgebung, in der gelernt wird, zu gestalten und die Lernmotivation und -effektivität zu erhöhen:

  1. Nutzerzentrierung: Das Verständnis der Bedürfnisse und Erwartungen der Lernenden ist der Schlüssel, um eine erfolgreiche Lernumgebung zu gestalten. Nutzerzentrierte Ansätze wie Interviews, Umfragen und Beobachtungen können verwendet werden, um diese Bedürfnisse zu erfassen, zum Beispiel in Form von Personas oder User Journeys.
  2. Zielorientierung: Eine klare Zielformulierung und die Erstellung von Lernzielen sind wichtig, um sicherzustellen, dass die Lernumgebung auf die Bedürfnisse der Lernenden abgestimmt ist und sich auf die Erreichung der Lernziele konzentriert. Ziele werden gesetzt als SMART Goals und bei komplizierteren Vorhaben über Projektmanagement oder OKRs.
  3. Iteratives Design: Das Design von Lernumgebungen ist ein iterativer Prozess, bei dem die Erkenntnisse aus früheren Iterationen verwendet werden, um das Design zu verbessern. Nutzerfeedback und Usability-Tests können verwendet werden, um das Design zu optimieren… mehr dazu unter agilen Methoden.
  4. Gamification: Gamification bezieht sich auf die Anwendung von Spielmechanismen, wie z.B. Quests, Punkte oder Belohnungen, um das Lernen zu motivieren und zu fördern.
  5. Technologie: Technologie kann eine wichtige Rolle beim LXD spielen, indem sie es ermöglicht, Interaktionen zu personalisieren, Lerninhalte zu adaptieren und die Lernumgebung zu gestalten.
  6. Blended Learning: Blended Learning bezieht sich auf die Kombination von Präsenzunterricht mit Online- und digitalen Lernmöglichkeiten.
  7. Visuelle Gestaltung: Eine ansprechende visuelle Gestaltung und eine benutzerfreundliche Navigation können dazu beitragen, dass die Lernenden sich in der Lernumgebung wohl fühlen und die Lerninhalte besser verstehen und behalten.

 

Didaktisches Modell: Erfahrungsbasiertes Lernen mit 4 Phasen

Es gibt ein 4-Phasen-Schema für erfahrungsbasiertes Lernen (engl. Experience based learning), welches eine wichtige Grundlage darstellt für die Ausgestaltung von Lernprozessen: 

  1. Entdecken
  2. Onboarding
  3. Scaffolding
  4. Endgame

…visualisiert im folgenden Schaubild, arrangiert nach dem Prozess der »Heldenreise«:

Learning Experience Design, LXD, Experience Based Learning, Lern-Heldenreise

Ich gehe im hier verlinkten Artikel zu Gamification von Lernprozessen ausführlich auf die einzelnen Phasen ein, wenn du sie im Detail verstehen möchtest. Grundsätzlich: am Anfang gibt es viel Inspiration und leichte Schritte, später wird möglichst viel Kompetenz durch Bausteine zusammengebaut.

Optimierung von:

 

Anleitung: Lernerlebnisse gestalten

Wir arbeiten uns durch obige Schema von hinten nach vorne:

  1. Definiere den Erfolgszustand in Form von
    1. Kompetenz
    2. Erfahrungen, die zu der Kompetenz führen (dies können sowohl klassische Lernschritte sein mit Lehrbüchern, Aufgaben und Gruppenübungen, aber auch Interaktion in der Lebenswelt außerhalb eines Klassenzimmers)
  2. Strukturiere das Kompetenzgerüst:
    1. Definiere die wichtigste und höchste Erfolgskompetenz so konkret wie möglich… was genau kann die Person, die diese Kompetenz gemeistert hat?
    2. Definiere die Sub-Kompetenzen der Erfolgskompetenz… auch wieder so konkret wie möglich.
    3. Optional: Sortiere die Sub-Kompetenzen von leicht nach schwer.
    4. Definiere die Voraussetzungen, um die Sub-Kompetenzen zu lernen.
  3. Gestalte nun einen schönen Weg durch das Kompetenzgerüst mit Hilfe des 4-Phasen Schemas:
    1. Entdecken: Gib Inspiration für den Weg, indem du den Erfolgszustand aufzeigst, um Motivation für die folgende Lern-Anstrengung aufzubauen.
    2. Onboarding: Gestalte eine Einführung, die die leichtesten Sub-Kompetenzen erfahrbar macht, und dabei die Voraussetzungen überprüft.
    3. Zwischenprüfung: Teste die Voraussetzungen und Sub-Kompetenzen und gib positives Feedback auf die Lernbemühung.
    4. Scaffolding: Gestalte »Kompetenz-Baustein-Aufgaben«, von einfach bis anspruchsvoll,
      d.h. dass der Erfolgszustand indirekt erlebt werden kann, indem gezeigt / erlebt wird, dass die schon gemeisterten Subkompetenzen eine Schlüsselrolle dafür spielen.

      1. Schlüssel-Schloss-Erlebnis: Öffne mit Hilfe der bereits erarbeiteten Sub-Kompetenzen die Tür zum weiteren Weg zum Erfolgszustand – dies entspricht dem Prinzip hinter Escape Games oder Schnitzeljadgen
      2. Gib zunächst alle anderen Kompetenzen als fertige Bausteine bzw. »offene Türen« dazu.
      3. Steigere den Anspruch in der nächsten Aufgabe ein kleines bisschen durch
        1. weniger Hilfsgerüst oder
        2. kompliziertere Aufgaben
    5. Endgame: Gib den Schülern ein Problem, in welchem sie ihre Erfolgskompetenz zusammensetzen können.

Die Konzeption kann sehr anspruchsvoll werden, wenn man nicht auf fertige Aufgaben zurückgreifen kann. Moderne Mathebücher sind oft gute Beispiele dafür, dass eine komplizierte Kompetenz Stück für Stück erarbeitet wird durch den leicht steigenden Anspruch.

 

Learning Experience Design ist eine Anwendung von Design Thinking auf Lernprozesse

Die Methodik zur Gestaltung von Lernprozessen kann interpretiert werden als Anwendung Design Thinking. Mit Design Thinking können wir alles mögliche gestalten: neue Produkte, Dienstleistungen, Marketing-Kampagnen… Wir benutzen Design Thinking immer dann, wenn eine Problemstellung komplex ist und wir nicht so genau weiter wissen.

Design-Thinking-Prozess-6-Phasen-Produktentwicklung-Kreativität 21st Century Skills

 

LX Design als Beruf?

Maurer bauen Mauern.
Käser machen Käse.
Unternehmer machen Unternehmen.
Inzwischen gibt es auch den Beruf des Learning Experience Designers, insbesondere in sehr großen Unternehmen oder auf HR spezialisierten Beratungen. Das Feld heißt dann meist Learning & Development.

 

Kompetenzen für Learning Experience Design

  1. Nutzer-Zentrierung: verstehe, wie Lernende ticken und was sie motiviert, um eine angenehme und effektive Lernumgebung zu schaffen. Theoretische Grundlage bildet meist die Selbstbestimmungstheorie.
  2. Kreativität: LXD erfordert die Fähigkeit, innovative und interaktive Lernformate zu entwickeln, die die Lernenden aktiv einbeziehen und ihre Aufmerksamkeit fesseln. Arbeite mit ergänzenden Disziplinen zusammen: Raumgestaltung, Bühneninszenierung, Webdesign für schöne Online-Lernumgebungen. Eine methodische Grundlage für Kreativität ist Reframing.
  3. Technologie: Die Verwendung von Technologie, insbesondere im E-Learning, ist von großer Bedeutung. Kenntnisse in der Gestaltung von digitalen Lernumgebungen und der Verwendung von Lernmanagementsystemen (LMS) sind wichtig, um Online-Kurse, Lernplattformen oder Escape Games zu entwickeln.
  4. Didaktik: LXD-Experten sollten Kenntnisse in den Prinzipien von Lernpsychologie, Didaktik und Instruktionsdesign haben, um erfolgreiche Lernprozesse zu entwickeln.
  5. Projektmanagement: LXD in seiner Endform erfordert die Fähigkeit, Projekte mit unterschiedlichen Akteuren zu koordinieren und umzusetzen.
  6. Analyse und Evaluation: LXD erfordert die Fähigkeit, Lernprozesse und Ergebnisse zu analysieren und zu evaluieren, um die Wirksamkeit von Lernprogrammen zu messen und zu verbessern. Der Deming-Kreis ist der gängige Ansatz für Qualitätsmanagement.

 

Begründung für Learning Experience Design

Zur Inszenierung von Lernprozessen und Lernumgebungen im Sinne des Learning Experience Designs sprechen:

  • Hatties Faktoren wie:
    • Scaffolding
    • Feedback
    • Lehrer-Schüler-Beziehung
    • Problem Solving
    • Klarheit der Lehrperson
  • Hebb’sche Lernregel: je mehr Sinnesreize und sinnvolle Assoziationen aktiviert werden, umso stärker der Lerneffekt
  • 7 Chunks of Information: kognitive Entlastung der Lernenden durch stimulierende Umgebungen, Materialien und sinnvolle Lernschritte

 

Glossar: Durchsehen im Begriffsdschungel der Lernmodelle

Learning Experience Design (LXD) bezieht sich auf den Prozess des Entwerfens und Durchführens von Lernumgebungen, die möglichst angenehm als auch effektiv sind. Es legt einen starken Fokus auf die Verwendung von Technologie und interaktiven Elementen, um Lernende aktiv und direkt in den Lernprozess einzubeziehen.

Didaktik ist der Bereich der Bildungswissenschaft, der sich mit der systematischen Planung, Organisation und Umsetzung von Lernprozessen und Lerninhalten befasst.

Erfahrungsbasiertes Lernen bezieht sich auf den Prozess des Lernens durch direkte Erfahrung und Interaktion mit der Welt. Es zielt darauf ab, Lernende durch praktische Anwendungen zu befähigen, Wissen und Fähigkeiten zu erwerben. Dies entspricht der Idee des Lern-Konstruktivismus. Auf englisch auch: Experiential Learning als auch Experience-based Learning, siehe [2]

Konstruktivismus ist eine Lerntheorie, die besagt, dass Lernende ihr Wissen auf Grundlage ihrer Erfahrungen und Vorkenntnisse konstruieren. Konstruktivismus betont die Bedeutung von aktivem Lernen und die Rolle des Lehrers als Führer und Facilitator im Lernprozess.

Instructional Design bezieht sich auf den Prozess des Gestaltens von Lehr- und Lernmaterialien. Es beinhaltet die Anwendung von Didaktik, Lernpsychologie und Technologie, um effektive Lernprozesse und Lernumgebungen zu schaffen. In der Schule hieße dies Unterrichtsplanung.

Gamification bezieht sich auf die Anwendung von Spielelementen in nicht-spielerischen Kontexten, um Motivation und Engagement zu steigern. Durch Gamification kann eine höhere Intensität der Lernerfahrungen ermöglicht werden.

 

Learning Experience Design im Online-Kurs

…Schritt-für-Schritt lernen und anwenden:

 

 

Quellen:

[1] Donald Hebb: The organization of behavior. A neuropsychological theory. Erlbaum Books, Mahwah, N.J. 2002

[2] Laut ChatGPT:

Experiential Learning und Experience-based Learning beziehen sich beide auf Lernen durch direkte Erfahrung, aber Experiential Learning bezieht sich eher auf den Prozess an sich, während Experience-based Learning eher auf das Ergebnis abzielt.