In diesem Artikel beschreibe ich die Funktionsweise von somatischer Trauma-Integration, die als psychologische Methode geläufig ist unter der Bezeichnung Somatic Experiencing nach Peter Levine. Im Kern beschreibe ich die Methodik für 2 wesentliche Zwecke:
Somatic Experiencing (SE) nach Peter Levine ist eine nützliche Methode für Coaches & Therapeuten – es bedeutet soviel wie körperliches Erleben. Erlebt werden dabei die körperliches Signale, die in Zusammenhang mit einem Trauma stehen. Die Wirksamkeit von Somatic Experiencing nach Peter Levine wurde durch kontrolliert randomisierte Studien belegt [1,2].
Einleitung: Was ist die Methode Somatic Experiencing (SE) nach Peter Levine?
Die Methode Somatic Experiencing (SE) nach Peter Levine zielt darauf ab, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und anderer psychischer und physischer traumabedingter Gesundheitsprobleme zu lindern, indem sie sich auf die vom Klienten wahrgenommenen Körperempfindungen (oder somatischen Erlebnisse) konzentriert. Diese Methodik wurde vom Traumatherapeuten Peter A. Levine entwickelt. Die Sitzungen werden normalerweise persönlich durchgeführt und beinhalten, dass ein Klient seine eigenen Erfahrungen geschützt und achtsam bearbeiten kann.
Rahmenbedingungen für die Methode Somatic Experiencing: Anleitung
Voraussetzungen für die Anwendung der Somatic Experiencing Methode sind:
- gute Beziehung zwischen Therapeut und Klient (mehr zu Beziehungskompetenz)
- klares Verständnis des Kontexts, der Person
- eine ausführliche Anamnese (mehr zur Anamnese im Coaching)
- grundsätzliche Fähigkeit zur Körperwahrnehmung beim Klienten (und natürlich auch beim Therapeuten)
- Klient & Therapeut können die körperlichen Signale klar benennen, die mit dem Leiden einhergehen
Der Dreh- und Angelpunkt von Somatic Experiencing sind die körperlichen Symptome des Traumas. Je klarer die körperlichen Erscheinungsformen (z.B. Druck, Spannung, Erregung, Taubheit an ganz bestimmten Körperstellen) des Traumas lokalisiert werden können, desto effektiver ist die Arbeit. Der Therapeut sollte die Symptome entspannt und souverän benennen und ansprechen können. Denn in vielen Fällen geht traumatischer Stress einher mit der Empfindung von Gelähmtheit, welche als so unangenehm empfunden wird, dass der Kontakt mit diesen Gefühlen vermieden oder umgangen wird – häufig entwickelt der Organismus dagegen Widerstände und Abwehrmechanismen, z.B. Betäubung oder Rationalisierung. Dann kann ein „liebevoller Zeuge“ helfen, wieder neue Erfahrungen der Selbstwirksamkeit zu machen: unangenehme Gefühle können erfolgreich gefühlt und gesunde Verhaltensweisen entwickelt werden.
Die Strategie der Somatic Experiencing Methode ist es,
- die Körperempfindungen und ungewünschten Gefühle bewusst spüren
- und integrieren zu können in ein heiles Selbst
- die unterdrückte „negative Energie“ zu lösen in einer achtsamen Mikro-Bewegung
- und mit neuen, angenehmen Selbst-Wahrnehmungen in Kontakt zu bringen
Im Buch von Peter Levine [1] findet sich eine Anleitung für Somatic Experiencing für den durchführenden Therapeuten, jedoch ist die Sprache etwas mystisch gehalten. Ich habe daher eine Anleitung formuliert, die für mich etwas klarer anzuwenden ist. Weiter unten findest du darauf aufbauend eine Anleitung für die Arbeit mit dir selbst (unter noch strengeren Vorraussetzungen).
1. Inspiriert von der Methode Somatic Experiencing: Anleitung zur Integration von Spannungen in 5 Phasen
Der Durchführung geht voraus, dass die körperlichen Signale benannt werden, die mit den negativen Emotionen, Spannungen und dem Beschreiben der traumatisierenden Erfahrungen einhergehen.
I Vorbereitung: Schaffe ein Umfeld von Sicherheit
- Therapeut-Klient-Beziehung: Durch den Aufbau einer vertrauensvollen & stabilen Beziehung, durch ein ruhiges Umfeld, klare Vereinbarungen und die Möglichkeit von regelmäßigem Feedback kann dem Klienten ein sicherer Raum ermöglicht werden, welcher notwendig ist für das weitere Vorgehen.
- Körperlichen Sicherheits-Anker legen: Erforsche angenehme Körperempfindungen. Dann hilf dem Klienten, Körpersignale zu finden, die sich sicher, angenehm oder einfach neutral anfühlen:
Ich nehme meistens das Ruhen der Füße auf dem Boden oder die Unterarme.
Dann schärfe die Wahrnehmung für diese Region: Was ist dort wahrzunehmen?
(Spoiler: meistens sind es Prozesse wie Kribbeln, Schwere, Pulsieren, Strömen, Druck, Wärme, Kälte, Kontakt zu Kleidung…)
Ein Feedback vom Patienten, dass diese Wahrnehmung OK oder angenehm ist, hilft für das einvernehmliche Weitergehen.
II Mit den körperlichen Signalen in Kontakt gehen
- Pendeln & Halten. Lenke die Aufmerksamkeit sachte zu den unangenehmen Körpersignalen, hin und her wechselnd mit dem Sicherheitsanker (z.B. genaue Wahrnehmung der Region).
Strategie: Konfrontation und Exposition… durch das bewusste Wahrnehmen im sicheren Rahmen wird der Kontakt zu den eventuell abgespaltenen Teilen hergestellt.
Peter Levine: „Dafür hilft die angeborene Kraft des Rhythmus zur Steuerung der Wahrnehmung“… z.B. über die Atmung.
Achtung: Werden die Emotionen zu stark und kann der Kontakt zu ihnen nicht gehalten werden, kann es zu einer erneuten Überforderung kommen. - Titration: „Bei chemischen Reaktionen kann durch Titration eine Explosion verhindert werden, in dem die reaktiven Stoffe tröpfchenweise einander zugeführt werden.“ …so ist die Formulierung in den Peter Levine Übungen. Durch tröpfchenweises Zufüttern von überwältigenden Emotionen soll ein Zustand von Stabilität, Belastbarkeit und innerer Ordnung erreicht werden – so klein, dass die negativen Emotionen trotzdem noch ausgehalten werden. Dabei werden „Tropfen“ der Erregung der bewussten Wahrnehmung zugeführt, sodass sich der Patient daran gewöhnt und eine Retraumatisierung verhindert werden kann.
III Eine positive Mikrobewegung transformiert die negative Spannung
Dies ist eine anspruchsvolle, aber entscheidende Phase – hier geschieht die Transformation von Überforderung hinzu Selbstwirksamkeit!
- Finde eine positive Bewegung für die angestaute negative Energie. Hilfestellung: Wie finde ich die richtige Mikro-Bewegung? …eventuell taucht zunächst kein Bewegungsimpuls beim Klienten auf. Oft tauchen in dem Moment der Spannung und Gelähmtheit verborgene Sehnsüchte, Träume und innere Bilder auf – darin steckt dann oft auch ein positives Bild von lebendiger Bewegung.
Oder frage: „Wenn dein Körper jetzt an irgendeinem Ort der Welt sein könnte, Wenn dein Körper machen könnte, was immer er wöllte… was wäre das?“ –> finde darin eine ausführbare Mikro-Bewegung der gewünschten körperlichen Expression.
Bei mir tauchen z.B. oft Bilder auf von Sport in der Natur (Klettern), die ich mit Stärke und Selbstwirksamkeit assoziiere. Dann führe ich mikroskopisch die Streckung des Kletterns am Felsen aus.Theorie hinter Somatic Experiencing: Mit den negativen Gefühlen der Gelähmtheit gehen meist unterdrückte körperliche Bewegungen und Reaktionen einher, denn im Moment der Traumatisierung gab es vor der „Freeze“-Reaktion wahrscheinlich auch eine Fight oder Flight-Reaktion. In diesen steckte viel Energie, die sich aber nicht ausdrücken konnte und dann feststeckte. Finde eine derartige Bewegung.
- Mikrobewgung ausführen
Wenn eine achtsame, positive Bewegung gefunden wurde,
lass den Klienten diese Bewegung so subtil und achtsam wie möglich ausführen,
über mehrere Sekunden, bewusst, langsam.
Bei mehrfacher Wiederholung taucht oft ein Signal der Entspannung auf: Gähnen, Lachen, Kichern, Schütteln …dies ist ein Zeichen von der Auflösung einer Spannung.
Spoiler: Je nach Kontext sind es z.B. abwehrende und angreifende Bewegungen (Schutz bei einem Unfall oder Angriff), bei Ängsten oder lähmenden Emotionen manchmal eher öffnende, fließende Bewegungen, die für Lebensfreude und Aktivität stehen.
IV Verstetigung: Neuen Zustand etablieren
- Bestätigung und Anerkennung geben: Gib dem Klienten Anerkennung und positive Bestätigung für die Umwandlung der „Traumaenergie“ in eine positive Bewegung / Geste.
- Positiven Zustand der Achtsamkeit und Selbstorganisation fördern:
Unterstütze die Selbstreflexion und Selbstregulation: Achtsame, wertschätzende Gespräche helfen dem Klienten, sich wieder Herr seiner selbst zu fühlen. Gib genug Raum und Zeit, sodass das Nervensystem sich in Richtung Ruhe & Gleichgewicht bewegen kann. Idealzustand ist eine entspannte Wachsamkeit.
Hier können wertvolle Erkenntnisse entstehen über bisher noch dysfunktionale Verhaltensweisen oder Ideen für zukünftige Weiterentwicklung.
V Abschluss
- Orientiere dich am Hier und Jetzt, nimm Bezug zum Umfeld und stelle die Fähigkeit zum sozialen Engagement wieder her. Vereinbare ggf. nächste Schritte und den Transfer in den Alltag.
Hinweise: Es müssen nicht alle Schritte durchgegangen werden. Gerade am Anfang ist viel erreicht, wenn der Klient es schafft, eine stabile Warhnehmung der Körpersignale aufzubauen. Nicht immer gibt es klare Mikrobewegung – wenn aber durch das Wahrnehmen der Trauma-Symptome ein Kontakt zwischen Bewusstsein und verletztem Anteil hergestellt werden kann, ist dies ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der Selbstregulations-Fähigkeit des Klienten …mehr lernen über Selbstregulation.
Mehr Struktur für Somatic Experiencing Methode nach Peter Levine? Arbeitsblatt zu Trauma-Integration (PDF)
Mit dem folgenden Arbeitsblatt kannst du für eine Sitzung die wichtigsten Punkte systematisch eintragen zur Reflexion und Dokumentation.
Video mit theoretischer Begründung & Übung – Somatic Experiencing Anleitung nach Peter Levine (englisch)
Somatic Experiencing selber machen? Übungen zur Arbeit mit sich selbst
Auch Therapeuten und Coaches sind Menschen mit persönlichen Entwicklungsprozessen und seelischen Wunden. Somatic Experiencing funktioniert nicht nur für Schocktrauma, sondern auch für die subtilen Entwicklungstraumen, die fast jeder Mensch mit sich herumträgt (mehr zum Zusammenhang zwischen Trauma & psychologischer Entwicklung). Als Therapeut und Anwender von Therapie-Übungen wie Somatic Experiencing ist es besonders wertvoll, wenn der Anleitende die eigene Erfahrung mitbringt, Trauma zu integrieren. Üblicherweise beinhalten therapeutische Ausbildungen dafür einen hohen Anteil an Selbsterfahrung.
„Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen.“
Jesus, Bergpredigt
Wenn du bereits einige Erfahrungen mit Achtsamkeit, Therapie oder Coaching mitbringst, kannst du dich an diese fortgeschrittenere Somatic Experiencing Übung heranwagen: Somatic Auto-Experiencing. Besonders hilfreich sind Vorerfahrungen in Autogenem Training, Selbsthypnose oder mit dem Body Scan (z.B. aus dem Vipassana) als Basis, um Somatic Experiencing selber machen zu können.
Vorraussetzung ist, dass du deine körperlichen Wahrnehmungen für min. 15 Minuten bewusst halten kannst.
Dies lernst du z.B. durch Atemmeditation …zur Anleitung, mit darauffolgender detaillierter Wahrnehmung der eigenen Füße,
oder die Enstpannungs-Schritte aus dem Autogenen Training („Arme & Beine angenehm warm & schwer, Atem ruhig & gleichmäßig, Herz warm & weit, Bauch angenehm warm, Kopf kühl & karl“).
2. Anleitung Somatic Experiencing selber machen: Fortgeschrittene Übung „Somatic Auto-Experiencing“
Dauer: ca. 45 Minuten, verkürzt sich bei fortgeschrittener Praxis
Die Übung zur Selbstanleitung von Somatic Experiencing ist analog zur obigen Anleitung mit Klienten.
Ich fasse der Einfachheit halber hier ein paar Schritte zusammen.
- Vorbereitung: genügend sicherer Raum & Zeit
Sorge für einen ruhigen, ablenkungsfreien Raum und genügend Zeit (zum Beginn min. 30 min, später kann die Übung auch schneller ablaufen). - Anamnese (10 min)
Was ist dein relevantes Thema? Gibt es dazu akute starke Gefühle oder eher diffuse Emotionen?
Welche Körpersymptome erwartest du?
… Wo genau drücken sich in Bezug auf dein seelisches Befinden körperliche Signale aus?
Bennene die körperlichen Signale kurz, wenn möglich schriftlich.
Reflektiere kurz, ob du sie selbst bewusst wahrnehmen und diese Wahrnehmung halten kannst für 15 min. Geh nur dann weiter.
Trauma geht für gewöhnlich einher mit Gefühlen von Ohnmacht, Anspannung oder Unruhe (… mehr dazu). Ist dies zu erwarten? - Achtsame Ressourcen-Aktivierung (5 min)
Gehe in den bewussten Kontakt mit dir selbst und deinen Körper über eine bereits vorhandene Praktik, z. B. Atem-Meditation, Body Scan, Qi Gong …
Hast du eine Praxis für dich entschieden? Geh erst dann weiter. - Sicheren Körperanker setzen (5 min)
Halte die Aufmerksamkeit auf eine angenehme Körperwahrnehmung für 3-5 Minuten und beobachte die Feinstruktur dieser Wahrnehmung. Üblich ist es, bei den Füßen anzufangen, mit dem Kontakt zum Boden, Wahrnehmung der Zehen, Temperatur etc…
Diese Körperwahrnehmung ist dein Sicherheitsanker: Hierhin kannst du immer zurück kommen
Kannst du die Aufmerksamkeit für weitere 10 Minuten halten? Gehe nur dann weiter.
Andernfalls geh direkt zum Abschluss… Dann übe zunächst unter Anleitung einer geschulten Person diese Achtsamkeits-Technik und komme zurück zu dieser Übung, wenn du sie für 10 min bewusst halten kannst. - Zu den Trauma-Signalen pendeln (5 min)
Wende dich nun mit deiner Aufmerksamkeit den körperlichen Signalen zu, die du in der Anamnese benannt hast.
Schaue zunächst langsam, kurz und sorgsam, wieviel negative Emotionen und Körperempfindungen dort sind,
gehe dann zurück zu dem sicheren Körperanker und stelle sicher, dass du entspannt, sicher, bewusst und achtsam bleiben kannst… dann führe dieses Pendeln fort, bis sich im besten Fall eine flüssige Verbindung herstellen lässt zwischen Körperanker und Trauma-Empfindungen. - Spannung transformieren in Bewegungsimpuls (1-3 min)
Trauma korreliert oft mit körperlichen Spannungen und unangenehmen Emotionen. Das Pendeln in diese Spannungen ist zumeist unangenehm. Nun gilt es, die dahinter steckende „Energie“ zu nutzen (utilisieren) & transformieren.
Ziel: ein Bewegungsimpuls, d.h. eine Körperbewegung, in der sich Spannung lösen kann.
Im einfachsten Fall entsteht direkt im Kontakt mit der Spannung ein Bewegungsimpuls.
Wenn nicht, hilft folgende Suggestion: im Kontakt mit der Spannung und dem Körper kann ein Dialog mit dem Unbewussten stattfinden… lasse Bilder, Erinnerungen, Worte kommen, was du jetzt gerne machen würdest. Schaue, welche Bewegung darin geschehen würde und nutze dies als Impuls. - Mikrobewegung ausführen (3-10 min)
Um im möglichst vollen Bewusstsein / in Achtsamkeit zu bleiben, sollte die Bewegung nicht einfach herausflutschen und zu schnell geschehen: deswegen führe sie in einer minimalen Version und möglichst langsam aus, vielleicht nur mit ein paar Fingern.
Bleib möglichst ganzheitlich in Kontakt, sowohl mit dem Körperanker als auch mit den Trauma-Empfindungen,
und führe die Mikrobewegung mehrfach hintereinander aus, bis sich die Spannung etwas gelöst hat und sich im besten Fall ein Gefühl von Selbstwirksamkeit einstellt. - Selbstorganisation (3 min)
Verweile noch eine Weile in der Introspektion und halte die Aufmerksamkeit auf alle relevanten Körperwahrnehmungen: Körperanker, vorhergehende Spannungen und Trauma-Empfindungen, bewegte Körperteile.
Gib deinem Nervensystem damit Gelegenheit, sich wieder in einem entspannten Zustand zu organisieren.
Wenn du möchtest, kannst du diesen Prozess fördern mit liebevollen Suggestionen (angenehme Farben visualisieren, positive Bilder der Entspannung und Ganzheit). - Reflexion (10 min)
Mach dir Notizen: was war dein Körperanker? Was waren die Trauma-Symptome? Welche Mikrobewegung hast du ausgeführt? Welche positiven Bilder, Gefühle und Gedanken kamen dazu? Welche Widerstände traten auf?
Was sind weitere angenehme Schritte für deine positive Entwicklung?
Im besten Fall geht diese Übung mit einer Kultur der Selbstfürsorge einher, eingebettet in gesunde Ernährung, Entpsannung, Genießen, freudige Erlebnisse. Körperwahrnehmung, Selbstregulation, mit Achtsamkeitstechniken und körperorientierten Ansätzen wie Somatic Experiencing bilden für Menschen in unserer komplexen Zeit eine Grundlage für ein gesundes und selbstbestimmtes Leben, Achtsamkeit und die Arbeit mit sich selbst werden zu 21st Century Skills.
Somatic Experiencing Übungen: Vorbereitung & Ergänzung
Somatic Auto-Experiencing ist eine sehr fortgeschrittene Technik für die Arbeit mit sich selbst. Einfachere vorbereitende Somatic Experiencing Übungen lassen sich in verwandten Methoden finden:
- Selbstverteidigung ist eine gute Praxis, um körperliche und emotionale Sicherheit aufzubauen
- Spannungen ausagieren: zum Beispiel durch langes Drücken der Arme gegen ein Kissen, eine dafür unterstützende Person, eine Wand… auch im Yoga funktioniert die Praxis des Anspannens- & Entspannens…
- Stöhnen, Singen und Tönen: Ooohhmmmm, Ahhh, Mmmhmmm… indem du sehr bewusst und intensiv atmest, stöhnst und Töne von dir gibst, die deine Stimmbänder zum Vibrieren bringen, kann dein Nervensystem darüber Spannungen regulieren
- Achtsamkeitsmeditationen:
- Autogenes Training,
- Hypnose & Selbsthypnose, insbesondere „Sicherer Ort“
…zur Anleitung Hypnose lernen - Ressourcen-Aktivierung
- allgemein achtsame und gesunde Bewegung
- Zeit in der Natur zu verbringen, entspannt den Organismus
Theorie: Somatic Experiencing & Utilisation
SE ist eine Form der Utilisation: die grundlegenden Ressourcen des Nervensystems werden aktiviert, insbesondere das Sicherheitsgefühl, die Selbstregulation und die Selbstwirksamkeit. Dies folgt dem Ansatz der Utilisation: hinter jedem Symptom stecken auch Ressourcen, die genutzt und kanalisiert werden können. In dem die verkrusteten negativen Emotionen ins Bewusstsein gerufen werden, können sie neu eingeordnet werden und die damit verbundene Energie in eine Richtung gelenkt, die neue Selbstwirksamkeitserfahrungen möglich macht.
Somatic Experiencing (genau wie letztlich jede andere Therapie & Coaching-Methode) funktioniert also vor allem über die sinnvolle Aktivierung der Ressourcen der Klienten. Hier ist dafür ein Bild zur Übersicht psychologischer Ressourcen:
Somatic Experiencing Alternativen & ähnliche Methoden
Die Integration von unangenehmen Themen, Emotionen, Träumen, Erinnerungen kann durch viele Methoden ermöglicht werden. Je stabiler ein Mensch ist und je mehr Ressourcen er hat, desto leichter. Folgende Ansätze sind oft auch interessant:
- Selbstregulation lernen aus systemischer Perspektive auf den menschlichen Organismus,
- Achtsamkeitsübung für sich selbst Maßschneidern
- Eigene Bedürfnisse erkennen – hier hilft vor allem das Üben der Körperwahrnehmung, aber auch Psychoedukation. Die Maslow-Pyramide schafft eine Strukturierung menschlicher Bedürfnisse.
- Verwandte Methoden zu Somatic Experiencing sind:
- Neuro affective relationship model (NARM) – Quasi ein Mix aus Somatic Experiencing, Beziehungskompetenz und systemischer Therapie (mehr zu systemischen Fragestellungen). Genau wie für Somatic Experiencing, lassen sich für NARM Übungen herleiten, die zu einem gesunden Kontakt und Einfühlen mit den eigenen körperlichen Prozessen, Emotionen und Bedürfnissen führen, um eine vegetative Harmonisierung herbeizuführen
- Meditation über die eigene Lebendigkeit
- Bewusstes Erspüren der Beziehungsqualitäten zu wichtigen Menschen im Leben
- durch Coach / Therapeut / achtsamen Gesprächspartner geführte Wahrnehmung von unangenehmen Emotionen und Beziehungsthemen
- Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) nach Luise Reddemann kommt eher aus der analytischen Psychologie und hat das ähnliche Vorgehen: Stabilisierung – Traumabearbeitung – Integration. Statt mit den körperlichen Symptomen zu arbeiten, wird hier die imaginative Ebene gewählt, insbesondere mit der Leinwand-Technik. Diesen Vorgehen ist letztlich verwandt mit:
- Hypnose, insbesondere die Ego-State-Therapie, spielt gezielt mit der Trance und den Ego-States (inneres Team / Teile-Arbeit) … zur Anleitung „Hypnose lernen“
- Neuro affective relationship model (NARM) – Quasi ein Mix aus Somatic Experiencing, Beziehungskompetenz und systemischer Therapie (mehr zu systemischen Fragestellungen). Genau wie für Somatic Experiencing, lassen sich für NARM Übungen herleiten, die zu einem gesunden Kontakt und Einfühlen mit den eigenen körperlichen Prozessen, Emotionen und Bedürfnissen führen, um eine vegetative Harmonisierung herbeizuführen
Quellen:
[1] D. Brom, Y. Stokar, C. Lawi, V. Nuriel-Porat, Y. Ziv, K. Lerner, G. Ross: Somatic Experiencing for Posttraumatic Stress Disorder: A Randomized Controlled Outcome Study. In: Journal of Traumatic Stress. Band 30, Nr. 3, 2017, S. 304–312, doi:10.1002/jts.22189, PMID 28585761, PMC 5518443 (freier Volltext)
[2] T. Andersen, Y. Lahav, H. Ellegaard, C. Manniche: A randomized controlled trial of brief Somatic Experiencing for chronic low back pain and comorbid post-traumatic stress disorder symptoms. In: European Journal of Psychotraumatology. Band 8, Nr. 1, 2017, doi:10.1080/20008198.2017.1331108, PMID 28680540, PMC 5489867 (freier Volltext).
[3] Peter Levine, Sprache ohne Worte, Kapitel 5
Weiterbildung »Faszination Trauma«
Zusammen mit dem Psychotherapeuten Sebastian Zollinger haben wir eine Weiterbildung zu Psychotraumatologie entwickelt für Menschen, die mit Menschen arbeiten. Sebastian lebt in der Schweiz und arbeitet als Psychotherapeut mit Kindern und Erwachsenen.
Durch Weiterbildungen und eigene Lehrveranstaltungen in Methoden wie EMDR, Somatic Experiencing oder Ego-State-Therapie ist Sebastian spezialisiert auf Traumapädagogik und Traumatherapie. Zusammen haben wir das Wissen und die psychologischen Methoden für ein breites Publikum zugänglich gemacht.
Ich bin dankbar für die vielen hilfreichen Informationen.Das gibt mir ein gutes Werkzeug an die Hand.
Vielen Dank 🙏
Danke für die tolle Infos!!
Die Texte und Anleitungen sind sehr informativ und auf den Punkt gebracht – danke hierfür. Umso mehr irritiert mich, dass hier ein Onlinekurs mit dem Titel „Faszination Trauma“ angeboten wird; das ist nun doch eine ziemlich unglückliche Wortwahl.
Faszination bedeutet (laut Duden): „anziehende, fesselnde Wirkung; bezaubernde Ausstrahlung, Anziehungskraft“. Ein Trauma ist eine seelische Wunde.
Traumata, und besonders mögliche Langzeitfolgen wie PTBS oder komplexe PTBS, sind meist mit hohem Leiden für die Betroffenen verbunden. In dem Zusammenhang von „Faszination“ zu sprechen, ist unangemessen und invalidierend!
Bitte ändern Sie das.
Hallo Nora,
danke für dein wertschätzendes Feedback und deine kritische Anregung zum Titel »Faszination Trauma«.
Ich verstehe deine Sichtweise, möchte natürlich damit nicht herunterspielen, welche unangenehmes Leiden PTBS oder KPTBS mit sich bringen, und erst recht nicht die ursprüngliche „Verwundung“ selbst. Lass mich nur probieren, dich zu folgender Sichtweise einzuladen:
Das Leiden geht oft einher mit Teufelskreisen, in denen die negativen Emotionen sich verselbstständigen. Ein möglicher Umgang besteht in der Utilisation oder Sublimierung: also über die Zeit etwas sinnvolles daraus zu machen. Beispiele dafür sind Herrmann Hesse, Astrid Lindgren oder Frida Kahlo. So entsteht mit der Zeit aus dem Leidvollen auch etwas Ästhetisches.
In dem Online-Kurs haben wir das ausführlich aufbereitet und uns mit mehreren etablierten Fachleuten auf dieses Titel abgestimmt. Der Titel überwindet die Kluft, die sonst zwischen den verschiedenen Disziplinen klafft, mit sehr umständlichen Bezeichnungen wie Psychotraumatologie, Körpertraumatherapie oder Traumapädagogik.
Vielleicht kannst du dieser Sichtweise ja auch etwas abgewinnen.
This is a great post! I have been working on trauma-integration for a while and this is a great resource.
Kompliment für die Seite, Gruß aus Graz, GM